24.06.2020

Architekt darf Auftraggeber nicht im behördlichen Widerspruchsverfahren vertreten

Eine erlaubte Nebenleistung nach § 5 RDG liegt nicht vor, wenn ein Architekt den Widerspruchsführer im Widerspruchsverfahren vertritt. Entscheidend ist insoweit, dass die Vertretung im Widerspruchsverfahren eine rechtliche Prüfung des konkreten Sachverhaltes erforderlich macht, die über eine rein schematische Anwendung von Rechtsnormen hinausgeht.

OLG Koblenz 4.12.2019, 9 U 1067/19
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist Architektin. Sie war und ist weder als Rechtsanwältin zugelassen noch wurde ihr auf sonstige Art und Weise das Recht eingeräumt, außergerichtlich Rechtsdienstleistungen zu erbringen.

Im Jahre 2015 hatte die Beklagte für die Eigentümer eines Grundstücks eine Bauvoranfrage gestellt, die negativ beschieden wurde. Gegen diesen Bescheid legte sie sodann namens der Grundstückseigentümer Widerspruch ein und vertrat diese im Widerspruchsverfahren. Die Klägerin, eine berufsständische Organisation der Rechtsanwaltschaft, nahm daraufhin, die Beklagte wegen unerlaubter Rechtsdienstleistung auf Unterlassung in Anspruch

Das LG gab der Klage in vollem Umfang statt. Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, dass die beanstandete Rechtsdienstleistung eine zu ihrem Berufs- und Tätigkeitsgebiet gehörende Nebenleistung und daher nach § 5 RDG erlaubt sei. Das OLG wies die Berufung der Beklagten allerdings zurück. Gegen die Entscheidung wurde Revision eingelegt.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung wegen unerlaubter Rechtsdienstleistung.

Außergerichtliche Rechtsdienstleistungen dürfen nach RDG dem  im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erbracht werden, wenn sie als Nebenleistung zum jeweiligen Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Eine erlaubte Nebenleistung nach § 5 RDG liegt dann nicht mehr vor, wenn die Tätigkeit eine Rechtsprüfung erforderlich macht, die über eine rein schematische Rechtsanwendung hinausgeht, was vorliegend der Fall ist. Die Vertretung im Widerspruchsverfahren hatte nämlich die Prüfung individueller, einzelfallbezogener Ansprüche erforderlich gemacht und konnte daher nicht mehr als Nebenleistung eines Architekten qualifiziert werden.

Das Berufsbild des Architekten umfasst die fachliche, technische Begleitung und beschränkt sich im Bereich der Rechtsberatung auf eine fachliche und organisatorische Unterstützung des Bauherrn. Eine Vertretung im Widerspruchsverfahren geht hierüber deutlich hinaus, da dies nicht nur die Kenntnis bautechnischer und baurechtlicher Vorschriften voraussetzt, sondern auch das übrige öffentliche Recht und das - auf das Widerspruchsverfahren in weiten Teilen entsprechend anwendbare - Verwaltungsprozessrecht beherrscht werden muss

Der Architekt wird durch diese Begrenzung seiner Tätigkeit keinesfalls in seiner Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Zum einen ist allenfalls der Randbereich der Berufsausübung berührt. Zum anderen ist die Einschränkung seines Tätigkeitsfeldes zum Schutz des Rechtsuchenden, des Rechtsverkehrs und der Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen hinreichend gerechtfertigt.
OLG Koblenz Pressemitteilung v. 24.6.2020
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