18.07.2016

Änderung der Lohnsteuervoranmeldung nach Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung

Einer Änderung der Lohnsteuervoranmeldungen unter den Voraussetzungen des § 164 Abs. 2 AO steht die Vorschrift des § 41c Abs. 3 EStG, wonach nach Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung eine Änderung des Lohnsteuerabzugs nicht mehr vorgenommen werden darf, nicht entgegen. Der tatsächliche Lohnsteuerabzug, der durch die Lohnsteuerbescheinigung dokumentiert wird, ist nicht von Bedeutung, wenn es um die Entrichtungsschuld des Arbeitgebers geht, die einen zutreffend zu ermittelnden "Sollbetrag" zum Gegenstand hat.

FG Köln 20.4.2016, 12 K 574/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger lebte bis 2001 in Deutschland und zog dann nach Großbritannien. Er bezieht seit 2008 monatliche Ruhegeldzahlungen von seiner im Inland ansässigen, ehemaligen Arbeitgeberin. Daneben erzielte er in den Streitjahren 2010 und 2011 Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von im Inland belegenem, unbeweglichem Vermögen gem. § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG. Er stritt mit dem Finanzamt darüber, ob eine Korrektur des Lohnsteuerabzugs nach Übermittlung der Lohnsteuerjahresbescheinigung und bestandskräftig durchgeführter Veranlagung eines beschränkt Steuerpflichtigen ohne Einbeziehung der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit noch im Wege der Änderung der Lohnsteuervoranmeldungen möglich ist.

Die Steuerbehörde war der Ansicht, dass der Einbehalt der Lohnsteuer durch die Arbeitgeberin des Klägers rechtmäßig erfolgt sei, da dieser für die Streitjahre eine Freistellungsbescheinigung des Betriebsstätten-Finanzamtes nicht vorgelegen hätte. Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Änderung der Lohnsteuervoranmeldungen lägen wegen der bereits übermittelten Lohnsteuerbescheinigungen nicht vor. Der Kläger hielt dagegen, dass allein Großbritannien das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Ruhegeldzahlungen nach Art. 17 i.V.m. Art. 27 DBA Deutschland-Großbritannien als Ansässigkeitsstaat zustehe. Eine tatsächliche Besteuerung sei nunmehr erfolgt. Die Lohnsteuer sei damit ohne materiell-rechtlichen Grund einbehalten und abgeführt worden. Auch der Kläger als Arbeitnehmer könne eine Änderung der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO stehenden Lohnsteuervoranmeldungen verlangen.

Das FG gab der Klage statt. Allerdings wurde die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az.: VI R 21/16 anhängig.

Die Gründe:
Der Lohnsteuerabzug in Deutschland war zu Unrecht erfolgt. Die Lohnsteuervoranmeldungen sind im Hinblick auf den fehlerhaften Abzug von Lohnsteuern auf die Ruhegeldzahlungen des Klägers noch änderbar.

Der Kläger kann die Lohnsteuervoranmeldung des Arbeitgebers aus eigenem Recht anfechten, soweit sie ihn betrifft. Er kann damit eine seine Vergütung betreffende Änderung der Lohnsteuervoranmeldungen verlangen. Die Lohnsteuervoranmeldungen der Streitjahre standen gem. § 168 S. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Festsetzungsfrist war im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht abgelaufen und ist seitdem gehemmt. Eine Korrektur der Lohnsteuervoranmeldungen der Streitjahre gem. § 164 Abs. 2 AO ist damit grundsätzlich möglich.

Nach der BFH-Rechtsprechung steht einer Änderung der Lohnsteuervoranmeldungen unter den Voraussetzungen des § 164 Abs. 2 AO die Vorschrift des § 41c Abs. 3 EStG in der Fassung der Streitjahre, wonach nach Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung eine Änderung des Lohnsteuerabzugs nicht mehr vorgenommen werden darf, nicht entgegen. Der tatsächliche Lohnsteuerabzug, der durch die Lohnsteuerbescheinigung dokumentiert wird, ist nicht von Bedeutung, wenn es um die Entrichtungsschuld des Arbeitgebers geht, die einen zutreffend zu ermittelnden "Sollbetrag" zum Gegenstand hat. Letzterer wird nicht durch den in der Lohnsteuerbescheinigung dokumentierten "Istbetrag" bestimmt. Das Anfechtungsrecht des Arbeitnehmers ist wegen der unterschiedlichen Bedeutung von Lohnsteuervoranmeldung und Lohnsteuerbescheinigung daher davon unberührt, ob der Arbeitnehmer eine Änderung der Lohnsteuerbescheinigung verlangen kann.

Einer Änderung der Lohnsteuervoranmeldungen steht auch nicht entgegen, dass der Kläger mit seinen im Inland beschränkt steuerpflichtigen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bereits bestandskräftig veranlagt wurde. Denn in die Veranlagung waren die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit mangels Antrags nach § 50 Abs. 2 S. 2 Nr. 4b) EStG nicht einbezogen worden. Ergeht nach der Anmeldung der Lohnsteuer gegenüber dem Arbeitnehmer ein Einkommensteuerbescheid, so bildet dieser grundsätzlich einen (neuen) Rechtsgrund für die Steuerzahlung. Ab Erlass des Einkommensteuerbescheides ist dieser alleinige Grundlage für die Verwirklichung des Anspruchs auf die mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entstandene Einkommensteuer. Für den Fall einer bereits erfolgten Veranlagung des Arbeitnehmers zur Einkommensteuer soll daher auch der Arbeitgeber eine Korrektur der Lohnsteuervoranmeldungen nicht mehr verlangen können.

Hingegen soll ein im Drittland ansässiger Arbeitnehmer, bei dem die Möglichkeit der (Antrags)Veranlagung zur Einkommensteuer nicht besteht, die Änderung der Lohnsteuervoranmeldungen gem. § 164 Abs. 2 AO verlangen können. Die ohne Einbeziehung der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit erfolgte Veranlagung des Klägers steht einer Änderung der Lohnsteuervoranmeldungen nicht entgegen. Die entsprechenden Einkommensteuerbescheide können aufgrund mangelnder Einbeziehung der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit und entsprechend fehlender Anrechnung der Lohnsteuer im Streitfall nicht die Rechtsgrundlage für die Steuerzahlung, welche ursprünglich durch die Lohnsteuervoranmeldung bestand, ablösen. Es droht hier auch keine doppelte Erstattung der Lohnsteuer im Wege der Korrektur der Lohnsteuervoranmeldungen und (nochmals) im Wege der Anrechnung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Klägers.

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