19.08.2013

Auch nach Einführung der Abgeltungsteuer keine Kapitalertragsteuer bei Genussrechten

Gewinne aus der Veräußerung von vor dem 1.1.2009 erworbenen obligationsähnlichen Genussrechten unterliegen auch nach Einführung der Abgeltungsteuer nicht dem Kapitalertragsteuerabzug. Derartige Genussrechte sind i.S.d. Übergangsvorschrift des § 52a Abs. 10 S. 7 Hs. 1 EStG 2009 nicht zu den Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG 2002 zu rechnen.

BFH 12.12.2012, I R 27/12
Der Sachverhalt:
Der Kläger unterhielt bei der beigeladenen Bank ein Direkt-Depot, auf das im Jahr 2006 Inhaber-Genussscheine der Y-AG zum Nominalwert von 5.160 € von der Sparkasse übertragen worden waren. Die Genussscheine gewährten ihrem Inhaber einen gegenüber dem Gewinnanteil der Aktionäre vorrangigen Anspruch auf Gewinnausschüttung sowie auf Rückzahlung nach Beendigung der Genussscheine. Dem Inhaber standen allerdings keinerlei Teilnahme-, Mitwirkungs- oder Stimmrechte in der Hauptversammlung der Y-AG zu.

Sein Gewinnanteil betrug vorbehaltlich eines ausreichenden Konzernjahresüberschusses für jedes volle Geschäftsjahr 15 % des Grundbetrags von 10 € je Genussschein; der auf den Grundbetrag entfallende und aus der sog. negativen Gesamtkapitalrendite abgeleitete Verlustanteil war gesondert auszuweisen und durch Gewinnanteile der Folgejahre auszugleichen. Das Genusskapital nahm im Fall der Auflösung der Y-AG nicht am Liquidationserlös teil. Der - gegebenenfalls um noch nicht ausgeglichene Verluste gekürzte - Rückzahlungsanspruch war gegenüber den Forderungen der anderen Gläubiger nachrangig.

Nachdem die Y-AG die Genussscheininhaber im Februar 2010 zur Abgabe von Verkaufsangeboten zum Kurs von 180 % aufgefordert hatte, veräußerte der Kläger seine Anteilsscheine im März 2010 zu einem Kurswert von 9.228 €. Hiervon behielt die Bank Kapitalertragsteuer i.H.v. 696,60 € sowie Solidaritätszuschlag i.H.v. 38,31 € ein. Beide Beträge wurden bei der Kapitalertragsteueranmeldung berücksichtigt. Hiergegen wehrte sich der Kläger. Er war der Ansicht, dass die Genussscheine lange vor 2006 angeschafft worden seien und den Bestandsschutzregeln zur Einführung der Abgeltungssteuer unterlägen.

Das FG gab der Klage statt und setzte die angemeldeten Steuerbeträge herab. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Das FG hatte zu Recht angenommen, dass nach der Übergangsbestimmung des § 52a Abs. 10 S. 7 EStG 2009 die Regelung des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG 2009 auf die vom Kläger erzielten Veräußerungsgewinne keine Anwendung findet und deshalb auch ein Steuerabzug vom Kapitalertrag nach § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 EStG 2009 (i.V.m. § 1 Abs. 2 u. 3 sowie § 3 Nr. 5 SolZG 1995) nicht vorzunehmen war.

Auszugehen war hierbei davon, dass die vor dem Jahre 2006 erworbenen Genussscheine zwar zu Kapitalforderungen i.S.d. vor dem 1.1.2009 maßgeblichen Fassung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 2002, nicht jedoch zu den Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG 2002 gehört haben. Diese, durch das Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz in das EStG eingefügte Bestimmung stand im Zusammenhang damit, dass nach der gleichfalls neu gefassten Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 1990 der Begriff der steuerbaren Kapitalerträge auf Erträge aus sog. Finanzinnovationen ausgedehnt wurde und solche Einkünfte nicht nur bei Einlösung der Wertpapiere, sondern auch im Fall ihrer Veräußerung erfasst werden sollten. Demgemäß war u.a. in § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 S. 1c EStG 1990/1997/2002 vorgesehen, dass zu den Kapitaleinkünften auch Einnahmen aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen mit Zinsforderungen gehörten, wenn die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhing.

Der Senat ließ unbeantwortet, ob hierunter tatbestandlich auch Genussscheine fielen, die wie vorliegend sowohl im Hinblick auf ihre Verzinsung als auch bezüglich der Kapitalrückzahlung dem Risiko der Verlustbeteiligung ausgesetzt waren. Jedenfalls war die Neuregelung nach dem unmissverständlichen Wortlaut des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 S. 5 EStG 2002 insgesamt nicht auf Genussrechte i.S.v. § 43 Abs. 1 Nr. 2 EStG 2002 und damit auch nicht auf die vom Kläger gehaltenen Anteilsscheine anzuwenden.

Somit waren die Genussrechte auch i.S.d. Übergangsvorschrift des § 52a Abs. 10 S. 7 Hs. 1 EStG 2009 nicht zu den Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG 2002 zu rechnen. Letzteres ergab sich bereits aus dem Wortlaut der Überleitungsbestimmung, der nicht nur auf die in § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 S. 1 (hier: Buchst. c) EStG 2002 genannten Kapitalanlageformen, sondern auf die Gesamtregelung jener Vorschrift und damit auch auf deren S. 5 mit der Folge verweist, dass die - nicht § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 unterstehenden - Genussrechte insgesamt dem Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 S. 1 bis 4 EStG 2002 entzogen waren; sie konnten deshalb nicht zu den in S. 1 dieser Bestimmung genannten Kapitalanlagen gerechnet werden.

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