12.10.2023

Aufrechnung in sog. Bauträgerfällen (Aussetzungsverfahren)

1. Finanzgerichte entscheiden bei Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit von Abrechnungsbescheiden in sogenannten Bauträgerfällen auch über den Bestand und die Durchsetzbarkeit der ‑‑dem Finanzamt von Bauleistenden abgetretenen‑‑ zivilrechtlichen Werklohnforderungen.
2. Mit der Aufhebung eines finanzgerichtlichen Aussetzungsbeschlusses durch den Bundesfinanzhof entfällt die Anordnung der vom Finanzgericht festgesetzten Sicherheitsleistung zumindest dann, wenn der Aussetzungsbeschluss unter der aufschiebenden Bedingung einer Sicherheitsleistung erfolgt ist, so dass sich eine nur gegen die Festsetzung der Sicherheitsleistung gerichtete Beschwerde insoweit als im Ergebnis als begründet erweist.

Kurzbesprechung
BFH-Beschluss v. 26.9.2023 - V B 23/22 (AdV)

UStG § 13b, FGO § 69 Abs 2, FGO § 69 Abs 3, FGO § 110 Abs 1, GVG § 17 Abs 2 S 1, ZPO § 322 Abs 2, ZPO § 572 Abs 3

Streitig war die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheids, in dem das FA die ihm von Werkleistenden abgetretenen Werklohnforderungen mit einem Erstattungsanspruch der Antragstellerin aus einem Umsatzsteuerbescheid aufgerechnet hatte.

Nach § 128 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel können auch dann bestehen, wenn zu einer Rechtsfrage in der Rechtsprechung der FG unterschiedliche Auffassungen vertreten werden, aber nur, wenn und soweit der BFH die jeweilige Rechtsfrage noch nicht entschieden hat.

Im Beschwerdeverfahren hat der BFH das Rechtsschutzbegehren auf AdV eigenständig zu prüfen und dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Beschwerdeentscheidung zugrunde zu legen.

Im Streitfall hatte das FG rechtsfehlerhaft unbeachtet gelassen, dass es zu der ‑ von ihm als streitig und ungewiss erachteten ‑ Rechtsfrage zur Entscheidungskompetenz der FG über rechtswegfremde Forderungen bereits eine gefestigte Rechtsprechung des BFH gibt. Diese Rechtsfrage ist daher nicht im Sinne von § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ernstlich zweifelhaft, sondern geklärt.

Das Gericht des zulässigen Rechtswegs entscheidet gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG den Rechtsstreit grundsätzlich unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten und damit auch über eine zur Aufrechnung gestellte rechtswegfremde Gegenforderung, es sei denn, diese Entscheidung erwächst nach § 322 Abs. 2 ZPO in Rechtskraft. In Abtretungsfällen kann es jedoch grundsätzlich nicht zur Rechtskraftwirkung nach § 322 Abs. 2 ZPO kommen, da sich diese nur auf die Beteiligten des Verfahrens und ihre Rechtsnachfolger erstreckt (§ 110 Abs. 1 FGO, § 325 Abs. 1 ZPO), nicht aber auf den Zedenten als den Rechtsvorgänger des an dem Prozess beteiligten Zessionars.

Ist danach am Klageverfahren zwischen dem Zessionar und dem Anspruchsgegner der abtretende bauleistende Unternehmer (Zedent) nicht beteiligt, kommt es ‑ auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 406 BGB ‑ zu keiner Rechtskrafterstreckung. Das Bestehen der rechtswegfremden Gegenforderung ist in diesen Fällen auch dann lediglich eine Vorfrage zur Aufrechnung und somit von der Entscheidungsbefugnis der Finanzgerichtsbarkeit gemäß § 17 Abs. 2 GVG umfasst. An dieser Rechtsauffassung hält der BFH weiter fest.

Im Streitfall hat der BFH über die Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Abtretung von Werklohnforderungen an das FA nicht selbst entschieden, sondern die Streitsache insoweit an das FG zurückverwiesen. Die Zurückverweisung war im Streitfall auch zweckmäßig, weil sich das FG auf der Grundlage seiner ‑ rechtsfehlerhaften ‑ Auffassung mit den von der Antragstellerin im gerichtlichen Aussetzungsverfahren geltend gemachten Einwendungen (Verjährung sowie Zurückbehaltungsrecht) noch nicht befasst hatte. Das gilt auch für weitere Einwendungen, die von der Antragstellerin geltend gemacht worden waren. Zudem ist hinsichtlich der Begründung des FA für die Zurückweisung des Einspruchs neuer Sachvortrag der Antragstellerin zu erwarten.

Mit der Aufhebung des die AdV gewährenden Beschlusses entfällt damit auch die Anordnung der vom FG festgesetzten Sicherheitsleistung, so dass sich auch die Beschwerde der Antragstellerin im Hinblick auf diesen Umstand insoweit als im Ergebnis begründet erweist. Denn bei der Anordnung der Sicherheitsleistung gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 FGO handelt es sich um eine aufschiebende Bedingung, die als Nebenbestimmung (vgl. § 120 Abs. 2 Nr. 2 AO) Bestandteil der Hauptsacheentscheidung und einheitlich mit dieser zu treffen ist. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung ist unselbständiger Teil des Beschlusses, wenn ‑ wie im Streitfall ‑ ein FG die AdV gegen Sicherheit nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO anordnet und entfällt daher zugleich mit der Aufhebung dieses Beschlusses. Somit hat das FG aufgrund der Zurückverweisung, falls es erneut AdV gewährt, wiederum über die Frage zu entscheiden, ob diese von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen ist.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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