23.07.2020

Aufwendungen für ein Erststudium keine Werbungskosten

Aufwendungen für ein Erststudium, das eine Erstausbildung vermittelt, sind nach § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG ab dem Veranlagungszeitraum 2004 nicht (mehr) als Werbungskosten abziehbar, wenn das Studium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet.

BFH v. 12.2.2020 - VI R 17/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin studierte nach ihrem im Jahr 2003 abgelegten Abitur Psychologie an der Universität X. Im Juli des Streitjahres (2006) erhielt sie den Abschluss "Bachelor of applied science". Am 1.10.2006 nahm sie ein Masterstudium der Neuro- und Verhaltenswissenschaften an der Universität Y auf. Im Streitjahr erzielte die Klägerin Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 823 €. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte sie insoweit Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i.H.v. 165,60 € geltend.

Das Finanzamt veranlagte die Klägerin erklärungsgemäß zur Einkommensteuer und setzte diese auf 0 € fest. Mit ihrem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid machte die Klägerin Aufwendungen für das Bachelor- und Master-Studium als vorab entstandene Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erließ daraufhin einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006, mit dem es feststellte, dass keine gesonderte Feststellung nach § 10d Abs. 4 EStG durchzuführen sei, weil kein verbleibender Verlustvortrag (mehr) bestehe.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und verpflichtet das Finanzamt, einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 zu erlassen, in dem bei der Berechnung des verbleibenden Verlustvortrags die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte aus 2006 i.H.v. 566,49 € berücksichtigt werden. Im Übrigen wies der BFH die Klage ab.

Die Gründe:
Das FG hat die Aufwendungen der Klägerin für das Bachelor-Studium zu Unrecht als Werbungskosten anerkannt.

Nach § 9 Abs. 6 EStG, der mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2004 in das EStG aufgenommen worden ist, sind die Aufwendungen für eine Erstausbildung nicht als Werbungskosten abziehbar. Deren Abzug kommt nur als Sonderausgaben begrenzt auf 4.000 € bzw. ab dem Jahr 2012 auf 6.000 € in Betracht. Da der Sonderausgabenabzug nicht zu einem vortragsfähigen Verlust führt, wirken sich - wie auch im Streitfall - die Aufwendungen auf Grund der während der Ausbildung erzielten geringen Einkünfte regelmäßig nicht bzw. nicht in vollem Umfang steuerlich aus.

Der BFH hatte § 9 Abs. 6 EStG für verfassungswidrig gehalten und im Rahmen eines sog. Normenkontrollverfahrens die Entscheidung des BVerfG eingeholt. Nachdem das BVerfG mit Beschluss vom 19.11.2019 (2 BvL 22-27/14) entschieden hat, dass der Ausschluss des Werbungskostenabzugs von Berufsausbildungskosten für eine Erstausbildung außerhalb eines Dienstverhältnisses mit dem GG vereinbar ist, nahm der BFH das zunächst ausgesetzte Verfahren der Klägerin wieder auf und wies die Klage ab.

Hintergrund:
Beim BFH war eine Vielzahl von Revisionen zu derselben Rechtsfrage anhängig. Sie betrafen ebenfalls den Werbungskostenabzug der Aufwendungen für das Erststudium sowie insbesondere den Werbungskostenabzug der Aufwendungen für die Pilotenausbildung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses stattfand. Diese Verfahren wurden nach der Entscheidung des BVerfG auf entsprechenden rechtlichen Hinweis des BFH zurückgenommen und durch Einstellungsbeschluss erledigt.
BFH PM Nr. 29 vom 23.7.2020
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