24.02.2022

Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG bei Darlehensgewährung an eine Personengesellschaft

Ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG des Gläubigers der Kapitalerträge zu einer Personengesellschaft ist zu bejahen, wenn der Gläubiger eine Beteiligung innehat, die es ihm ermöglicht, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft durchzusetzen. Das Gleiche gilt, wenn die Anteile an der Personengesellschaft zwar von einer rechtsfähigen Stiftung gehalten werden, der Gläubiger jedoch aufgrund seiner beherrschenden Stellung in der Stiftung mittelbar in der Lage ist, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft durchzusetzen.

Kurzbesprechung
BFH v. 28.9.2021 - VIII R 12/19

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, § 32d Abs. 1, EStG VZ 2016

Streitgegenständlich ist, ob Darlehenszinsen, die den Klägern und Revisionsbeklagten (Kläger) im Streitjahr zugeflossen sind, der Besteuerung mit dem gesonderten Tarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG unterliegen.

Die Kläger waren zunächst jeweils hälftig an einer KG und einer GmbH beteiligt. Später übertrugen sie ihre Anteile an eine Familienstiftung, deren Zweck darin bestand, dem Wohl der Stifterfamilie zu dienen. Sie gewährten der KG Darlehen, die später von der Stiftung als sonstige Verbindlichkeiten fortgeführt wurden. Während die Kläger für die Zinseinnahmen die Abgeltungsbesteuerung verlangten, setzte das FA unter Berufung auf § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG die Steuer nach dem Regelsteuersatz fest. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Die Revision des FA wies der BFH als unbegründet zurück.

Bei dem Begriff der nahe stehenden Person i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der normspezifisch für Zwecke des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG auszulegen ist. Hierunter können alle natürlichen und juristischen Personen fallen, die zueinander in enger Beziehung stehen. Eine solche enge Beziehung hat die bisherige Rechtsprechung im Verhältnis natürlicher Personen zueinander bejaht, wenn die nahe stehende Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahe stehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat. Das Beherrschungsverhältnis muss so beschaffen sein, dass der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses für den Abschluss des Darlehens im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt. Ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes, persönliches Näheverhältnis ist nicht ausreichend, um ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG zu begründen.

Bei Anwendung dieses Maßstabs ist das FG zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass zwischen den Klägern als Darlehensgebern und der N-KG als Darlehensnehmerin kein solches Beherrschungsverhältnis bestand.

Für die Annahme eines eigenen wirtschaftlichen Interesses der Vertragsparteien an der Einkünfteerzielung des anderen reicht es nicht aus, dass der Darlehensgeber von der Besteuerung der Zinsen nach dem gesonderten Tarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG profitiert und der Schuldner die gezahlten Vergütungen im tariflichen Bereich als Betriebsausgaben abziehen kann. Hätte der Darlehensgeber, statt das Darlehen auszureichen, sein Kapital auch bei einer Bank anlegen und für die hieraus erzielten Kapitalerträge den gesonderten Tarif in Anspruch nehmen können, oder hätte der Darlehensnehmer das benötigte Kapital auch bei einer Bank aufnehmen können, fehlt es an einem entsprechenden Näheverhältnis. Denn die vom Gesetzgeber durch die Gewährung von Fremdkapital befürchtete, missbräuchliche Verlagerung von Einkünften auf die privilegiert besteuerte, private Anlageebene kann nicht eintreten, wenn die Chancen und Risiken bei der Gewährung der Darlehen in fremdüblicher Weise verteilt sind.

Nach diesem Maßstab ist im Streitfall ein eigenes wirtschaftliches Interesse der KG als Darlehensschuldnerin an der Einkünfteerzielung der Kläger als Darlehensgeber oder umgekehrt nicht zu erkennen. Zwar war die Finanzierung der KG durch die Kläger für die Gesellschaft wirtschaftlich vorteilhaft, weil diese sich ansonsten anderweitig hätte refinanzieren müssen. Die KG hätte dies aber tun und dann ggf. höhere Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben abziehen können. Umgekehrt hätten die Kläger im Rahmen einer anderweitigen Kapitalanlage der Darlehensbeträge für hieraus erzielte Kapitalerträge ebenfalls den gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG in Anspruch nehmen können. Die Darlehensvergabe entsprach zudem unstreitig fremdüblichen Bedingungen. Eine missbräuchliche Gestaltung zur Ausnutzung des gesonderten Steuertarifs im Wege einer Einkünfteverlagerung ist daher - wie vom FG erkannt - durch die Darlehensvergabe an die KG nicht gegeben.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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