11.07.2012

Bauzeitzinsen können auch bei Überschusseinkünften Herstellungskosten sein

Sind Bauzeitzinsen während der Herstellungsphase nicht als (vorab entstandene) Werbungskosten abziehbar, können sie in die Herstellungskosten einbezogen werden, wenn das fertiggestellte Gebäude durch Vermietung genutzt wird. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung sind die AfA für den Bereich der Überschusseinkünfte nach den gleichen Grundsätzen wie für die Gewinneinkünfte zu bestimmen.

BFH 23.5.2012, IX R 2/12
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im Jahr 2001 ein unbebautes Grundstück erworben, das er ab 2002 mit einem im Streitjahr 2008 fertiggestellten Mehrfamilienhaus bebaute. Dieses sollte ursprünglich veräußert werden. Da ein Verkauf bis Ende Juni 2005 nicht möglich war, wurden die Wohnungen schließlich vermietet. Der Kläger finanzierte Grundstück und Herstellung mit Darlehen. Die Finanzierungsaufwendungen für das Mehrfamilienhaus wurden in den Jahren 2001 bis Juni 2005 nicht als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt. Erst ab Juli 2005 wurden die Darlehenszinsen als Werbungskosten anerkannt.

Der Kläger machte in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr Absetzungen für Abnutzung (AfA) geltend, deren Bemessungsgrundlage auch die nicht als Werbungskosten zu berücksichtigenden Darlehenszinsen umfasste. Das Finanzamt minderte allerdings die Bemessungsgrundlage um die Darlehenszinsen.

Das FG gab der Klage im hier bedeutsamen Umfang statt. Die hiergegen gerichtete Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Die Bauzeitzinsen im hier maßgebenden Zeitraum waren in die Herstellungskosten des Gebäudes und damit in die Bemessungsgrundlage für die AfA nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 EStG einzubeziehen.

Solange das Gebäude hatte veräußert werden sollen, waren die während der Bauphase anfallenden Finanzierungsaufwendungen keine vorab entstandenen Werbungskosten. Infolgedessen stellte sich die Frage, ob sie insoweit in die Herstellungskosten und damit in die AfA-Bemessungsgrundlage einbezogen werden konnten. Und diese Frage war zu bejahen.

§ 255 Abs. 3 S. 2 HGB erlaubt den Ansatz von Bauzeitzinsen, also von Zinsen, die auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Allerdings gelten die Vorschriften des HGB zunächst nur für bilanzierende Steuerpflichtige: Ihr handelsrechtliches Einbeziehungswahlrecht wird auch einkommensteuerrechtlich anerkannt. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung sind die AfA für den Bereich der Überschusseinkünfte indes nach den gleichen Grundsätzen wie für die Gewinneinkünfte zu bestimmen. Da Systematik und Zweck des Gesetzes keine unterschiedliche Auslegung gebieten, können Bauzeitzinsen ganz unabhängig von den während der Herstellungsphase verfolgten Zwecken in die AfA-Bemessungsgrundlage einbezogen werden, wenn der Steuerpflichtige das fertiggestellte Gebäude dazu nutzt, Einkünfte aus Vermietung zu erzielen.

Es waren auch keine weiteren Gründe ersichtlich, die Herstellungskosten als Grundlage für die Bemessung der AfA bei den Überschusseinkünften in Bezug auf Bauzeitzinsen in anderer Weise zu ermitteln als bei den Gewinneinkünften: das  FG hatte zutreffend darauf abgestellt, dass Bauzeitzinsen kontrollier- und nachprüfbar nicht nur in der Handelsbilanz erfasst werden, sondern auch in der Aufstellung der Herstellungskosten, die für die Berechnung der AfA eingereicht werden muss. Unter diesen Voraussetzungen widerspräche es dem Grundsatz der Gleichbehandlung des Gleichartigen, wenn man bei Steuerpflichtigen mit Gewinneinkunftsarten die Bauzeitzinsen in die Bemessungsgrundlage einbezieht, es den Steuerpflichtigen mit Überschusseinkünften aber trotz in gleicher Weise geminderter Leistungsfähigkeit verwehrte.

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BFH PM Nr. 52 vom 11.7.2012
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