28.01.2021

Beitrittsaufforderung an BMF: Verfahrensrechtliche Umsetzung des § 6b EStG bei mitunternehmerbezogener Übertragung

Der BFH hat das BMF zum Verfahrensbeitritt aufgefordert. Das BMF soll dazu Stellung zu nehmen, in welcher Weise bei Übertragung eines Veräußerungsgewinns nach § 6b EStG auf anteilige Anschaffungs- und Herstellungskosten einer Personengesellschaft, an der der Veräußerer mitunternehmerisch beteiligt ist, nach den Vorgaben der AO die Entscheidung darüber getroffen werden muss, ob und ggf. wann und in welcher Höhe die Voraussetzungen für eine Bildung der Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG erfüllt sind, und ob und ggf. in welchem Umfang und auf welche Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens der Mitunternehmerschaft der in die Rücklage eingestellte Gewinn übertragen werden kann.

Kurzbesprechung
BFH v. 2.7.2020 - IV R 7/19

EStG § 6b Abs. 3
FGO § 122
AO § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 182 Abs. 1
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2


Das Wahlrecht, eine Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG zu bilden und damit insoweit einen Veräußerungsgewinn zu neutralisieren und stille Reserven ggf. auf Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen eines anderen Betriebs des Steuerpflichtigen zu übertragen, ist vom Steuerpflichtigen in der Steuerbilanz des veräußernden Betriebs auszuüben. Bildung und Auflösung der Rücklage müssen in dessen Buchführung verfolgbar sein.

Für die Entscheidung des Streitfalls ist von Bedeutung, in welchem Festsetzungs- bzw. Feststellungsverfahren darüber zu befinden ist, ob und ggf. in welcher Höhe die Voraussetzungen für eine Bildung der Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG erfüllt sind, und ob und ggf. in welchem Umfang und auf welche Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens einer Mitunternehmerschaft, an der der Veräußerer beteiligt ist, der in die Rücklage eingestellte Gewinn übertragen werden konnte. § 6b EStG enthält hierzu keine Regelungen.

Es ist denkbar, die bindende Entscheidung sowohl über die Berechtigung zur Rücklagenbildung als auch zur wirksamen Übertragung in den Veranlagungsverfahren für den Betrieb des Veräußerers zu treffen. Denn das Wahlrecht zur Rücklagenbildung ist in diesem Betrieb auszuüben und nicht übertragene Gewinne sind Bestandteil des Gewinns dieses Betriebs. Soll der Gewinn auf Wirtschaftsgüter einer Personengesellschaft übertragen werden, wären die Einkommensteuerbescheide bzw. Gewinnfeststellungsbescheide im Jahr der Rücklagenbildung und im Jahr der freiwilligen oder wegen Fristablaufs zwingend notwendigen Auflösung der Rücklage Grundlagenbescheide für Feststellungsbescheide über den Gewinn der Personengesellschaft. Die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen in Bezug auf den Reinvestitionsbetrieb müsste sich das für den Veräußerungsbetrieb zuständige FA ggf. im Wege der Amtshilfe von dem für den Reinvestitionsbetrieb zuständigen FA beschaffen. Rechtsschutz könnte ausschließlich gegen die Grundlagenbescheide begehrt werden.

Denkbar ist jedoch auch, dass über die Berechtigung zur Rücklagenbildung und die freiwillige oder zwangsläufige Auflösung der Rücklage in Bescheiden betreffend den Veräußerungsbetrieb, über die Frage der Übertragung dem Grunde und der Höhe nach aber in Bescheiden für den Reinvestitionsbetrieb zu entscheiden ist. Die Bescheide könnten dann wechselbezüglich jeweils Grundlagen- und Folgebescheid sein. Rechtsschutz wäre jeweils dort zu gewähren, wo die Wirkung eines Grundlagenbescheids eintritt.

Schließlich muss in Betracht gezogen werden, dass über die Bildung der Rücklage und deren Übertragung sowohl in Verfahren betreffend den Veräußerungsbetrieb als auch in Verfahren betreffend den Reinvestitionsbetrieb eigenständig zu entscheiden ist. Die jeweiligen Bescheide stünden dann nicht in einem Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid und könnten sich materiell widersprechen. Rechtsschutz könnte gegen jeden dieser Bescheide umfassend begehrt werden, ohne allerdings Gewähr dafür bieten zu können, dass widersprüchliche Ergebnisse vermieden werden.

Zu den vorgenannten Problembereichen ist das BMF nun aufgefordert, Stellung zu nehmen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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