29.09.2022

Berücksichtigung gezahlter Prämien für Glattstellungsgeschäfte im Zusammenhang mit Einnahmen aus Stillhalterprämien bei periodenübergreifenden Optionsgeschäften

Aufwendungen für die den Stillhalterprämien zugehörigen Glattstellungsgeschäfte mindern nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG ‑ in Ausnahme zu § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG (sog. Abflussprinzip) ‑ die Einnahmen in dem Veranlagungszeitraum, in dem die Stillhalterprämien vereinnahmt wurden. Es handelt sich insoweit um ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Ergibt sich dabei für das einzelne Stillhalter-/Glattstellungsgeschäft ein Verlust (eine negative Differenz), ist dieser abzugsfähig und unterliegt nicht dem Werbungskostenabzugsverbot nach § 20 Abs. 9 EStG.

Kurzbesprechung
BFH v. 2. 8 2022 - VIII R 27/21

EStG § 11 Abs 2 S 1, § 20 Abs 1 Nr. 11, § 20 Abs 9, § 32d Abs 1
AO § 175 Abs 1 S 1 Nr. 2


Streitig war, in welchem Veranlagungszeitraum gezahlte Prämien für Glattstellungsgeschäfte im Zusammenhang mit Einnahmen aus Stillhalterprämien bei periodenübergreifenden Optionsgeschäften steuerlich zu berücksichtigen sind.

Mit Einführung der Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 hat der Gesetzgeber die Besteuerung der Stillhalter- und Glattstellungsgeschäfte in § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG erstmals gesondert geregelt. Danach gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Stillhalterprämien, die für die Einräumung von Optionen vereinnahmt werden. Schließt der Stillhalter ein Glattstellungsgeschäft ab, mindern sich die Einnahmen aus den Stillhalterprämien um die im Glattstellungsgeschäft gezahlten Prämien. Es handelt sich um einen steuerlichen Einmaltatbestand, weshalb die Aufwendungen für die den Stillhalterprämien zugehörigen Glattstellungsgeschäfte dem Veranlagungszeitraum zuzuordnen sind, in dem die Stillhalterprämie vereinnahmt wurde.

Dies gilt auch dann, wenn das Glattstellungsgeschäft in einem anderen Veranlagungszeitraum getätigt wird als das Stillhaltergeschäft. Bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich, dass die für das Glattstellungsgeschäft gezahlten Prämien zu einer Einnahmeminderung führen. Denn nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 Halbsatz 2 EStG "mindern sich die Einnahmen aus den Stillhalterprämien um die im Glattstellungsgeschäft gezahlten Prämien". Der Gesetzgeber hat danach im gesetzlichen Tatbestand die im Glattstellungsgeschäft gezahlten Prämien mit den vereinnahmten Stillhalterprämien verknüpft. Er hat § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG als punktuellen Besteuerungstatbestand normiert, der erst abgeschlossen ist, wenn endgültig feststeht, in welcher Höhe der Steuerpflichtige einen Überschuss aus dem Stillhaltergeschäft erzielt hat. Dieser in § 20 Abs. 1 Nr. 11 Halbsatz 2 EStG zum Ausdruck gekommene gesetzgeberische Wille erfordert eine punktuelle Überschussermittlung. Es ist daher folgerichtig, wenn die Höhe der ursprünglich erzielten Stillhalterprämien auch bei periodenübergreifenden Glattstellungsgeschäften um die im Glattstellungsgeschäft gezahlten Prämien gemindert werden.

Allein diese Verfahrensweise trägt der Wirkungsweise des Glattstellungsgeschäfts Rechnung. Mit diesem soll das Risiko, das der Stillhalter mit dem Stillhaltergeschäft eingegangen ist, Vermögenseinbußen durch ein Ausführungsgeschäft zu erleiden, vermindert werden.

Bei den laufend veranlagten Steuern wie der Einkommensteuer sind zwar die aufgrund des Eintritts neuer Ereignisse materiell-rechtlich erforderlichen steuerlichen Anpassungen regelmäßig nicht rückwirkend, sondern in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem sich der maßgebliche Sachverhalt ändert; dieser Grundsatz ist jedoch nur insoweit maßgebend, als die einschlägigen steuerrechtlichen Regelungen nicht bestimmen, dass eine Änderung des nach dem Steuertatbestand rechtserheblichen Sachverhalts zu einer rückwirkenden Änderung steuerlicher Rechtsfolgen führt. Dies setzt eine dementsprechende materiell-rechtliche Anordnung des Gesetzgebers voraus, wie sie § 20 Abs. 1 Nr. 11 Halbsatz 2 EStG vorsieht.

Flankiert wird diese materiell-rechtliche Regelung durch § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der AO, nach dem ein Steuerbescheid bei Eintritt eines Ereignisses zu ändern ist, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Das rückwirkende Ereignis liegt darin, dass die endgültige Höhe der Netto-Einnahmen aus den Stillhalterprämien nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 Halbsatz 2 EStG erst dann feststeht, wenn die Prämien aus dem dazugehörigen Glattstellungsgeschäft von diesen abgezogen werden; das Stillhalter- und das jeweilige Glattstellungsgeschäft stehen insoweit in einem wirtschaftlichen Zusammenhang.

Dass der Gesetzgeber eine Rückwirkung beabsichtigt hat, ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/4841, S. 54). Nach dieser soll nur der beim Stillhalter nach Abschluss eines Gegengeschäfts (Glattstellung) verbliebene Vermögenszuwachs der Besteuerung unterworfen werden (Nettoprinzip). Der Gesetzgeber ist somit der zur Rechtslage vor dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (UntStRefG 2008) vom 14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912) ergangenen Rechtsprechung zur Besteuerung von Stillhalterprämien gefolgt. Nach dieser war der Aufwand für das Glattstellungsgeschäft im Jahr des Einnahmezuflusses der Stillhalterprämie und nicht nach § 11 Abs. 2 EStG 1990 im Jahr des Abflusses abzuziehen, da das Stillhaltergeschäft als einmalige sonstige Leistung anzusehen gewesen ist, das erst abgeschlossen war, wenn endgültig feststand, dass und in welcher Höhe der Steuerpflichtige den Erlös behalten durfte.

Die im Glattstellungsgeschäft gezahlten Prämien sind daher seit der Neuregelung der Besteuerung von Stillhaltergeschäften in § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG nicht mehr als Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1, § 20 Abs. 9 EStG bei den Einkünften als Stillhalter zu berücksichtigen, so dass das Abflussprinzip des § 11 EStG keine Anwendung findet.

Die im BMF-Schreiben v. 19.05.2022 - IV C 1-S 2252/19/10003:009 (BStBl I 2022, 742, Rz 25) vorgesehene Aufteilung der Stillhalter-/Glattstellungsgeschäfte in einen Zu- und Abflusstatbestand i.S. des § 11 EStG widerspricht der vom BFH dargelegten Lösung auch für Fälle, in denen Kapitalertragsteuer im Inland einzubehalten wäre.
Verlag Dr. Otto Schmidt
Zurück