26.04.2011

BVerfG-Vorlage: BFH hält Erhöhung der Biersteuersätze durch das HBeglG 2004 für verfassungswidrig

Der BFH hat dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 2 Abs. 2 BierStG 1993 i.d.F. des Art. 15 HBeglG 2004 vom 29.12.2003 mit Art. 20 Abs. 2, Art. 38 Abs. 1 S. 2, Art. 42 Abs. 1 S. 1 und Art. 76 Abs. 1 GG vereinbar ist. Der BFH hält die Vorschrift aus den gleichen Gründen für verfassungswidrig, aus denen das BVerfG in seinem Beschluss vom 8.12.2009 (2 BvR 758/07) § 45a Abs. 2 S. 3 Var. 1 PBefG, der unter Einbeziehung des sog. Koch/ Steinbrück-Papiers im selben Gesetzgebungsverfahren zustande gekommen ist, als mit dem GG unvereinbar erachtet hat.

BFH 15.2.2011, VII R 44/09
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem im Oktober 2006 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen einer als KG betriebenen Privatbrauerei, deren Gesamtjahreserzeugung im Jahr 2004 bei rd. 14.600 hl lag. Auf die in der Steuererklärung gem. § 8 Abs. 1 BierStG 1993 für den Monat Januar 2004 von der KG angegebenen Biermengen wandte das Hauptzollamt die ermäßigten Steuersätze gem. § 2 Abs. 2 BierstG 1993 i.d.F. des Art. 15 HBeglG 2004 an, wodurch die Sätze um 12 Prozent angehoben worden waren.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Es ging davon aus, dass das Hauptzollamt die Biersteuer dem Grunde und der Höhe nach zutreffend festgesetzt habe; Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Art. 15 HBeglG 2004 hatte es nicht. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, der der Ansicht ist, dass § 2 Abs. 2 BierstG 1993 i.d.F. des Art. 15 HBeglG 2004 gegen formelles und materielles Verfassungsrecht verstößt. Der BFH hat das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 2 Abs. 2 BierstG 1993 i.d.F. des Art. 15 HBeglG 2004 mit dem GG vereinbar ist.

Die Gründe:
Der Senat hält die Vorschrift aus den gleichen Gründen für verfassungswidrig, aus denen das BVerfG in seinem Beschluss vom 8.12.2009 (2 BvR 758/07) § 45a Abs. 2 S. 3 Var. 1 PBefG als mit den Art. 20 Abs. 2, 38 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 S. 1 und 76 Abs. 1 GG unvereinbar erachtet und eine Verletzung der dortigen Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG festgestellt hat.

Die Änderung des § 2 Abs. 2 BierStG 1993 ist im selben Gesetzgebungsverfahren - unter Einbeziehung des sog. Koch/Steinbrück-Papiers - zustande gekommen. In der zitierten Entscheidung hatte das BVerfG festgestellt, dass die Einbringung des Koch/Steinbrück-Papiers nicht den Anforderungen an die Förmlichkeiten des Gesetzgebungsverfahrens genügt habe. Der Vermittlungsausschuss habe nicht über die Kompetenz verfügt, eine Änderung des PBefG in den Vermittlungsvorschlag aufzunehmen. Darüber hinaus habe es an den Voraussetzungen einer Bundesratsinitiative gefehlt.

Aus den Vorschlägen im Koch/Steinbrück-Papier ging hervor, dass § 2 BierStG 1993 mit dem Ziel geändert werden sollte, die gestaffelten Steuersätze in drei Schritten um jeweils 4 Prozent zu erhöhen. In der "Gesamtliste lang" wurde als Zielsetzung der Maßnahme auf den Schutz der mittelständischen Brauereien verwiesen. Bezeichnet wurde die zu ändernde steuerrechtliche Regelung als Staffelung der Biersteuersätze nach der Höhe des Bierausstoßes (Mengenstaffel).

Bei der Vorstellung des Koch/Steinbrück-Papiers im Haushalts- und Finanzausschuss wurde die vorgeschlagene Änderung des § 2 Abs. 2 BierStG 1993 mit keinem Wort erwähnt. In den drei Lesungen des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 im Plenum des Deutschen Bundestages fand ebenfalls keine Befassung mit der vorgeschlagenen Erhöhung der Biersteuersätze statt. Äußerungen des federführenden Haushaltsausschusses zum Biersteuergesetz 1993 fehlten. Erst im Vermittlungsausschuss einigte man sich u.a. auf eine Anhebung der ermäßigten Biersteuersätze. Das Ergebnis der Einigung entsprach der späteren gesetzlichen Fassung. Der Vorschlag wurde von Bundestag und Bundesrat angenommen. Die Neuregelung der Biersteuersätze trat am 1.1.2004 in Kraft.

Wie das BVerfG bereits festgestellt hat, leidet das Gesetzgebungsverfahren weiterhin an dem Mangel, dass der Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses dem Deutschen Bundestag entgegen § 78 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages nicht mindestens zwei Tage vor dessen endgültiger Beschlussfassung nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG zugeleitet wurde. Bei dieser Sachlage liegt es auf der Hand, dass Art. 15 und Art. 24 HBeglG 2004 in identischer Weise zustande gekommen sind, so dass sich die zitierte Entscheidung des BVerfG nach Überzeugung des Senats auf § 2 Abs. 2 BierStG 1993 übertragen lässt.

Linkhinweis:

  • Der Volltext ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext der Entscheidung zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BFH PM Nr. 33 vom 20.4.2011
Zurück