12.10.2023

DBA-Schweden 1992 nach Fortfall der schwedischen Schenkungsteuer

Nach Abschaffung der Schenkungsteuer im Königreich Schweden (Schweden) zum 01.01.2005 kann Art. 4 Abs. 1 Buchst. b DBA-Schweden 1992 bei einer Doppelansässigkeit des Schenkers im Inland und in Schweden kein Besteuerungsrecht in Schweden begründen. Dies hat zur Folge, dass die Schenkung eines in der Bundesrepublik Deutschland und zugleich in Schweden ansässigen Schenkers dem deutschen Schenkungssteuerrecht unterliegt.

Kurzbesprechung
BFH v. 24.5.2023 - II R 27/20 u.a.

DBA SWE 1992 Art 4
ErbStG § 2, § 7 Abs 1 Nr. 1


Die im Streitjahr in dem Königreich Schweden (Schweden) ansässige Steuerpflichtige erhielt 2005 im Wege der Schenkung von ihrem Vater Anteile an einer schwedischen AG. Der Vater unterhielt im Zeitpunkt der Schenkung Wohnsitze in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) und in Schweden. Sein Lebensmittelpunkt lag im Zeitpunkt der Schenkung ‑ unstreitig ‑ in Schweden. Schweden hatte die Erbschaft- und Schenkungsteuer zu Beginn des Jahres 2005 abgeschafft.

Das FA setzte gegen die Steuerpflichtige Schenkungsteuer fest. Im Einspruchsverfahren vertrat die Steuerpflichtige die Auffassung, ihr Vater, der Schenker, sei abkommensrechtlich allein in Schweden ansässig gewesen, sodass Schweden allein über das Besteuerungsrecht verfügt habe.

Während die Steuerpflichtige im Klageverfahren Erfolg hatte, hob der BFH auf die Revision des FA hin die Entscheidung der Vorinstanz auf und wies die Klage ab. Er entschied, dass die Schenkung der Anteile durch den Vater an die Steuerpflichtige in Deutschland der Schenkungsteuer unterliegt. Dem steht die Regelung in Art. 4 DBA-Schweden 1992 nicht entgegen.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG unterliegen der Schenkungsteuer die Schenkungen unter Lebenden. Dazu gehören freigebige Zuwendungen unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).

Die persönliche Steuerpflicht für den gesamten Vermögensanfall setzt nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG voraus, dass der Schenker im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer Inländer ist. Als Inländer gelten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Dies trifft auf den Vater der Steuerpflichtigen, den Schenker, zu, denn er hatte neben einem Wohnsitz in Schweden auch einen Wohnsitz im Inland.

Art. 26 DBA-Schweden 1992 enthält Regelungen, die eine Doppelbesteuerung mit Schenkungsteuer bei einer doppelten Ansässigkeit des Schenkers oder des Beschenkten in Schweden und in Deutschland verhindern sollen. Jedoch besteht seit der Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Schweden ‑ ungeachtet eines tatsächlich bestehenden Wohnsitzes ‑ für Zwecke der Schenkungsteuer keine "Ansässigkeit" in Schweden im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 2 Buchst. a DBA-Schweden 1992 mehr. Denn Art. 4 Abs. 1 Buchst. b DBA-Schweden 1992 verweist für den Ausdruck "eine in einem Vertragsstaat ansässige Person" im Sinne des Abkommens für Zwecke der Schenkungsteuer auf eine Person, die "nach dem Recht dieses Staates dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist". Somit bestimmt sich die Ansässigkeit des Schenkers allein nach dem inländischen Recht.

Entsprechend der allgemeinen Abkommenspraxis definiert Art. 4 Abs. 1 Buchst. b DBA-Schweden 1992 den Begriff des Wohnsitzes oder ständigen Aufenthaltsorts als örtlichen Anknüpfungspunkt für die "Ansässigkeit" im abkommensrechtlichen Sinne nicht selbst, sondern verweist insoweit auf das nationale Recht des jeweiligen Vertragsstaats. Die Ansässigkeit einer Person (Erblasser oder Schenker) setzt danach voraus, dass deren Nachlass oder Schenkung "nach dem Recht dieses Staates dort aufgrund ihres Wohnsitzes ... oder eines anderen Merkmals steuerpflichtig ist".

Es bedarf folglich für die abkommensrechtliche Ansässigkeit einer tatsächlich existierenden nationalen Vorschrift ("nach dem Recht dieses Staates"), die für die (unbeschränkte) Steuerpflicht der Schenkung an den Wohnsitz des Schenkers oder ein ähnliches ortsbezogenes Merkmal anknüpft. Für Deutschland folgt dies aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG, der für die unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht an einen inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Schenkers anknüpft. Für Schweden fehlte es hingegen seit der Abschaffung der Schenkungsteuer ab dem 1.1.2005 und damit auch im Schenkungszeitpunkt an einer entsprechenden nationalen Norm für die Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht in Bezug auf die Schenkungsteuer.

"Ansässigkeit" im abkommensrechtlichen Sinne und unbeschränkte Steuerpflicht sind zwar grundsätzlich unterschiedlichen Regelungskreisen zuzuordnen. Jedoch verbindet Art. 4 Abs. 1 Buchst. b DBA-Schweden 1992 beide Regelungskreise, indem er für die abkommensrechtliche Ansässigkeit auf die jeweiligen nationalen Vorschriften über die unbeschränkte Steuerpflicht verweist. Denn nach der Regelung bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragsstaat ansässige Person" für Zwecke der Schenkungsteuer, dass diese Person nach dem "Recht dieses Staates dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist".

Im Streitfall hatte das FG somit zu Unrecht entschieden, dass die Regelungen des DBA-Schweden 1992 einer Besteuerung der freigebigen Zuwendung des Vaters an die Steuerpflichtige im Inland entgegenstehen. Eine Ansässigkeit des Vaters in Schweden lag nicht vor, weil im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung kein nationales Recht in Schweden bestand, das die Besteuerung der Schenkung an den Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in Schweden angeknüpft hätte.

Hinweis: Siehe hierzu auch die gleich lautenden Entscheidungen des BFH v. 24.5.2023 - II R 28/20 und II R 29/20.
Verlag Dr. Otto Schmidt
Zurück