15.03.2012

Die Festsetzung einer Steuererstattung kann per einstweiliger Anordnung erzwungen werden

Das Finanzgericht kann eine Finanzbehörde im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichten, eine Steuererstattung festzusetzen. Voraussetzung dafür ist, dass dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes unumgänglich ist, der Erfolg des Antragstellers in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist und der Anordnungsgrund (hier: drohende Insolvenz) eine besondere Intensität aufweist.

FG Münster 23.2.2012, 5 V 4511/11 U
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin einer GmbH. Es besteht eine umsatzsteuerliche Organschaft mit der Antragstellerin als Organträgerin und der GmbH als Organgesellschaft. Die GmbH betreibt mehrere Imbissstände auf Parkplätzen von Supermärkten und Einkaufszentren. Dort werden u.a. Würstchen, Frikadellen, Pommes und Getränke verkauft. Bei den Imbissständen handelt es sich um mobile Imbisswagen.

Unter Hinweis auf die aktuelle Rechtsprechung des EuGH zur umsatzsteuerlichen Behandlung von frisch zubereiteten Speisen zum sofortigen Verzehr an Imbissständen beantragte die Antragstellerin die Änderung der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2006 bis 2008. Das Finanzamt lehnte die Änderung für die Jahre 2007 und 2008 ab. Das Einspruchsverfahren hierzu ist noch nicht abgeschlossen. Über den Antrag für das Jahr 2006 entschied es noch nicht, stellte jedoch die Änderung in Aussicht, sobald die EuGH-Entscheidung im Bundessteuerblatt veröffentlicht sei.

Hierauf wandte sich die Antragstellerin mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das FG. Sie begehrte die Erstattung von insgesamt ca. 110.000 € Umsatzsteuer.

Das FG gab dem Antrag statt.

Die Gründe:
Die Umsatzsteuerfestsetzungen 2006 bis 2008 sind rechtswidrig. Denn das Finanzamt hat die Umsätze der Antragstellerin aus dem Verkauf von Speisen frites bislang dem regulären Steuersatz von 16 bzw. 19 Prozent unterworfen (§ 12 Abs. 1 UStG), obwohl diese Umsätze tatsächlich als Lieferungen i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG dem reduzierten Steuersatz von 7 Prozent unterliegen (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Anlage 2 zum UStG).

Durch die Vorlage korrigierter Umsatzsteuererklärungen hat die Antragstellerin die Höhe der sich ergebenden Erstattungsbeträge glaubhaft gemacht. Auch ein Anordnungsgrund ist gegeben, denn die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass sie unmittelbar von Zahlungsunfähigkeit bedroht ist. Zwar wird durch die einstweilige Anordnung der Erstattung die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen. Dies ist jedoch zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes unumgänglich. Durch die drohende Insolvenz der Antragstellerin ergibt sich andernfalls ein unumkehrbarer Schaden.

Der Verweis des Finanzamtes auf die fehlende Veröffentlichung der Entscheidung des EuGH bzw. der Folgeentscheidungen des BFH im Bundessteuerblatt steht dem nicht entgegen. Die Verpflichtung der Finanzverwaltung zur Anwendung geltender Gesetze kann nicht durch verwaltungsinterne Anweisungen beschränkt oder in zeitlicher Hinsicht ausgesetzt werden.

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