23.06.2022

Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG bei gewinnmindernder Ausbuchung einer unbesichert im Konzern begebenen Darlehensforderung

Ob ein unbesichertes Konzerndarlehen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls fremdvergleichskonform ist, hängt davon ab, ob auch ein fremder Dritter ‑‑ggf. unter Berücksichtigung möglicher Risikokompensationen‑‑ das Darlehen unter gleichen Bedingungen ausgereicht hätte. Wäre ein unbesichertes Konzerndarlehen nur mit einem höheren als dem tatsächlich vereinbarten Zinssatz fremdüblich, hat eine Einkünftekorrektur vorrangig in Höhe dieser Differenz zu erfolgen.

Kurzbesprechung
BFH v. 13. 1. 2022 - I R 15/21

AStG § 1 Abs 1, § 1 Abs 4
AEUV Art 267, DBA BEL Art 9
OECDMustAbk Art 9 Abs 1


Streitig war die Rechtmäßigkeit einer Einkünftekorrektur nach § 1 AStG im Hinblick auf die Teilwertabschreibung eines unbesicherten Darlehens (Schuld aus einem Verrechnungskonto).

Werden Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus Geschäftsbeziehungen mit einer ihm nahestehenden Person dadurch gemindert, dass er im Rahmen solcher Geschäftsbeziehungen zum Ausland Bedingungen vereinbart, die von denen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten, sind seine Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften gemäß § 1 Abs. 1 AStG so anzusetzen, wie sie unter den zwischen unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären.

Geschäftsbeziehung in diesem Sinne ist gemäß § 1 Abs. 4 AStG jede den Einkünften zugrundeliegende schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist und entweder beim Steuerpflichtigen oder bei der nahestehenden Person Teil einer Tätigkeit ist, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG anzuwenden sind oder im Fall eines ausländischen Nahestehenden anzuwenden wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen würde.

Die Besicherung bzw. Nichtbesicherung der Ansprüche gehört zu den "Bedingungen" i.S. des § 1 Abs. 1 AStG. Der Begriff der Bedingung ist zwar gesetzlich nicht definiert; im gewöhnlichen Geschäftsverkehr sind hierzu jedoch ‑‑neben Vereinbarungen über die Laufzeit, Art und Weise der Rückzahlung sowie die Höhe und den Zahlungszeitpunkt der Zinsen‑‑ üblicherweise auch Vereinbarungen über die zu stellenden Sicherheiten zu rechnen. Die Einkünfteminderung i.S. von § 1 Abs. 1 AStG kann auch durch ("dadurch") die fehlende Besicherung eingetreten sein.

Maßgeblich im Sinne des Veranlassungsprinzips ist das die gewinnmindernde Forderungsausbuchung "auslösende Moment". Bei der hierfür gebotenen wertenden Betrachtung war im Streitfall vorrangig auf den Sicherungsverzicht abzustellen. Die Nichtbesicherung der Rückzahlungsforderung aus den Darlehen kann zwar von den Bedingungen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten (sog. Fremdvergleich). Das FG hatte hierzu jedoch keine ausreichenden Feststellungen getroffen, weshalb der BFH den Streitfall an die Vorinstanz zurückverwies.

Die Nichtbesicherung im Streitfall weicht vom Fremdüblichen ab, wenn ein fremder Gläubiger ‑‑ggf. unter Berücksichtigung möglicher Risikokompensationen‑‑ das Darlehen nicht unter gleichen Bedingungen ausgereicht hätte. Für diese Feststellung ist auf das Verhalten eines fremden Dritten abzustellen, wobei es sich hierbei nicht um "klassische Banken" handeln muss. Entscheidend ist, dass ein Markt für die vereinbarten Darlehen ermittelt werden kann, der dann den Maßstab für den vorzunehmenden Fremdvergleich bildet.

Zur Ermittlung dieses Marktes sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen, wobei das Fehlen einer einzelnen "Bedingung" (im Streitfall: fehlende Besicherung) nicht unmittelbar dazu führt, dass eine hierdurch veranlasste Einkunftsminderung dem Berichtigungsbefehl des § 1 AStG unterfällt.

Ob ein unbesichertes Darlehen im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls fremdvergleichskonform ist, hängt damit davon ab, ob auch ein fremder Dritter ‑‑ggf. unter Berücksichtigung möglicher Risikokompensationen‑‑ das Darlehen unter gleichen Bedingungen ausgereicht hätte.

Zu der Frage, ob die vereinbarten Darlehensbedingungen in ihrer Gesamtheit dem entsprechen, was fremde, nicht mit den nachgeordneten Gesellschaften verbundene Darlehensgeber (ex ante) vereinbart hätten, hatte das FG keine Feststellungen getroffen.

Bei der Beurteilung von Kapitalüberlassungen zwischen verbundenen Unternehmen bedarf es zunächst der Abgrenzung, ob das zugeführte Kapital dauerhaft in das Vermögen der empfangenden Gesellschaft übergehen sollte und eine Rückzahlung nicht beabsichtigt war oder ob die Parteien ‑‑im Sinne einer ernstlichen Abrede‑‑ von der Überlassung von Kapital auf Zeit ausgegangen sind und davon ausgehen konnten, dass der Darlehensvertrag durchgeführt, insbesondere also das Darlehen zurückgezahlt wird.

Hierbei ist nach der zu Verträgen zwischen Angehörigen ergangenen Rechtsprechung die Abgrenzung zwischen privater und betrieblicher Veranlassung anhand der Gesamtheit der objektiven Verhältnisse mit der Maßgabe vorzunehmen, dass nicht jede Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Fremdüblichen im Sinne eines absolut wirkenden Tatbestandsmerkmals die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses ausschließt. Vielmehr sind die einzelnen Kriterien des Fremdvergleichs im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung zu würdigen.

Nichts anderes kann für Vertragsverhältnisse zwischen Gesellschaften und ihren Gesellschaftern und damit für die Frage gelten, ob eine Kapitalüberlassung der eigenen betrieblichen Sphäre oder derjenigen des Gesellschaftsverhältnisses zuzurechnen ist. Eine derartige Gesamtbetrachtung hatte das FG ebenfalls nicht vorgenommen.

Sollte die Prüfung ergeben, dass es sich bei dem Verrechnungskonto in der Sache um steuerrechtlich anzuerkennende Darlehen handelt, wird das FG mit Blick auf eine Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG zu untersuchen haben, ob die fehlende Besicherung der Darlehensrückzahlungsforderung dem entspricht, was fremde, nicht mit der nachgeordneten Gesellschaft verbundene Darlehensgeber (ex ante) vereinbart hätten. Es wird dabei zu ermitteln haben, ob ein Markt für die ‑‑ohne Sicherheiten‑‑ vereinbarten Darlehen existiert, der dann den Maßstab für den vorzunehmenden Fremdvergleich abbildet. Zur Ermittlung dieses Marktes wird es alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen haben. Insbesondere wird zu prüfen sein, ob ein fremder Dritter angesichts der konkreten Ertragssituation der darlehensnehmenden Gesellschaft bereit gewesen wäre, eine entsprechende Vereinbarung mit dieser einzugehen.

Der Fremdvergleich hat sich an der konkreten darlehensnehmenden Gesellschaft ‑‑und insbesondere deren Ertragssituation‑‑ zu orientieren. Die Ausreichung von Darlehen durch fremde Dritte an die Konzernobergesellschaft vermag eine Würdigung des einer (Tochter-)Gesellschaft eingeräumten Darlehens am Maßstab der fremdüblichen Kreditgewährung nicht zu ersetzen.

Sollte die Prüfung ergeben, dass ein entsprechender Markt für die ‑‑ohne Sicherheiten‑‑ vereinbarten Darlehen vorhanden ist und ein fremder Dritter dieses Marktes bereit gewesen wäre, beispielsweise gegen Vereinbarung eines Zinszuschlags das durch die Nichtbesicherung erhöhte Ausfallrisiko zu kompensieren, wird das FG zu prüfen haben, ob die im Streitfall konkret vereinbarte Verzinsung eine solche Kompensation beinhalten kann und damit fremdüblich ist.

Sollte die Prüfung ergeben, dass im Streitfall insgesamt fremdübliche "Bedingungen" vereinbart worden sind, ist für den Berichtigungsbefehl der Norm des § 1 AStG kein Raum. Ergibt die Prüfung, dass die vereinbarten Bedingungen nicht fremdüblich waren, weil keine ausreichende Risikokompensation vereinbart wurde, ist eine Korrektur der Teilwertabschreibung nach § 1 AStG allerdings ebenfalls ausgeschlossen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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