22.09.2022

Einkünftezurechnung bei sog. doppelter Treuhand

Bei der sog. doppelten Treuhand kann (auch) nach Eintritt des Sicherungsfalles ein steuerrechtlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO vorliegen.

Kurzbesprechung
BFH v. 4. 5. 2022 - I R 19/18

AO § 39 Abs 2 Nr. 1 S 2,
EStG § 20 Abs 1 Nr. 7, § 20 Abs 5
KStG § 1 Abs 1 Nr. 4, § 8 Abs 1 S 1, § 8 Abs 2


Im Streitfall ist der Steuerpflichtige gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG als rechtsfähiger Verein mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig und nicht körperschaftsteuerbefreit. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf sämtliche Einkünfte (§ 1 Abs. 2 KStG). Da der Steuerpflichtige als sonstige juristische Person des privaten Rechts nicht § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG unterfällt, sind nicht alle von ihm erzielten Einkünfte gemäß § 8 Abs. 2 KStG als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln; vielmehr kann er auch Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 EStG erzielen.

Im Streitfall ging es um den Ansatz von Dividenden, der voraussetzt, dass jene Einnahmen dem Steuerpflichtigen auch steuerrechtlich zuzurechnen sind. Die persönliche Zurechnung von Dividenden richtet sich für die Streitjahre nach § 20 Abs. 5 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG. Anteilseigner i.S. des § 20 Abs. 5 Satz 1 EStG ist derjenige, dem nach § 39 AO die Anteile an dem Kapitalvermögen i.S. des Abs. 1 Nr. 1 im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen sind (§ 20 Abs. 5 Satz 2 EStG).

Nach § 39 Abs. 1 AO sind Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zuzurechnen, damit dem zivilrechtlichen Eigentümer oder Inhaber des Wirtschaftsguts. Abweichend davon bestimmt allerdings § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO, dass bei Treuhandverhältnissen die Wirtschaftsgüter dem Treugeber zuzurechnen sind; dies setzt im konkreten Einzelfall ein steuerrechtlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis voraus.

Erforderlich ist, dass die mit der rechtlichen Eigentümer- bzw. Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht in einer Weise zu Gunsten des Treugebers eingeschränkt ist, dass das rechtliche Eigentum bzw. die rechtliche Inhaberschaft als "leere Hülle" erscheint. Der Treugeber muss das Treuhandverhältnis beherrschen, und zwar nicht nur nach den mit dem Treuhänder getroffenen Absprachen, sondern auch bei deren tatsächlichem Vollzug. Es muss zweifelsfrei erkennbar sein, dass der Treuhänder ausschließlich für Rechnung des Treugebers handelt. Wesentliches und im Grundsatz unverzichtbares Merkmal einer solchen Beherrschung ist eine Weisungsbefugnis des Treugebers ‑‑und damit korrespondierend die Weisungsgebundenheit des Treuhänders‑‑ in Bezug auf die Behandlung des Treuguts. Zudem muss der Treugeber berechtigt sein, jederzeit die Rückgabe des Treuguts zu verlangen, wobei die Vereinbarung einer angemessenen Kündigungsfrist unschädlich ist. Die Vereinbarung eines Treuhandentgelts ist nicht notwendige Bedingung, kann aber ein Anzeichen für das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses sein. Schließlich kommt bei der Frage nach der Durchführung einer Treuhandvereinbarung der bilanziellen Behandlung des Treuguts indizielle Bedeutung zu.

Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen lag im Streitfall auch nach Eintritt des Sicherungsfalles ein steuerrechtlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO vor.

Die Weisungsbefugnis des Treugebers ‑‑und damit korrespondierend die Weisungsgebundenheit des Treuhänders‑‑ in Bezug auf die Behandlung des Treuguts ergab sich im Streitfall ‑‑auch für den Sicherungsfall‑‑ aus § 1 des geschlossenen Treuhandvertrages. Danach erfolgt die Vermögensübertragung "zum Zwecke der Verwaltung und Anlage in eigenem Namen, aber treuhänderisch für die Treugeberin und nach deren Weisungen". Ausschlaggebend war, dass der Steuerpflichtige als Treuhänder bei der Wahrnehmung der ihm eingeräumten Rechte und Pflichten aus dem Treuhandvertrag allein für Rechnung der Treugeberin handelte und an deren Weisungen gebunden war. Er konnte damit über das Treugut nicht entsprechend seiner rechtlichen Eigentümerstellung verfügen.

In besonderer Weise kam dies in den geschlossenen vertraglichen Vereinbarungen zum Ausdruck, wonach die Treugeberin im Sicherungsfall (nach Zweckerreichung) die Herausgabe des endgültig nicht mehr benötigten Treuhandvermögens verlangen konnte.

Weiteres Indiz für das Vorliegen eines steuerrechtlich anzuerkennenden Treuhandverhältnisses war im Streitfall der Umstand, dass das eigene Vermögen des Treuhänders und das Treuhandvermögen sowie dessen Erträge getrennt gehalten und verwaltet werden müssen, so dass eine Identifizierung der vom Treuhänder übertragenen Vermögenswerte jederzeit gewährleistet war.

Der von der Vorinstanz für rechtmäßig erachtete Ansatz der sonstigen Kapitalforderungen als (Betriebs-)Einnahmen setzt voraus, dass jene Einnahmen dem Steuerpflichtigen steuerrechtlich zuzurechnen sind. Die persönliche Zurechnung von sonstigen Kapitalforderungen kommt aber nur in Betracht, wenn der Steuerpflichtige Inhaber der auf einen Geldbetrag gerichteten Forderungen ist. Eine Zurechnung von Einkünften scheidet dabei aus, wenn die bezogenen Erträge weitergeleitet werden müssen, ohne dass rechtlich in irgendeiner Weise auf die Verwaltung des Vermögens Einfluss genommen werden kann. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall gegeben. Der Ansatz der Dividenden und sonstigen Kapitalforderungen als Einkünfte des Steuerpflichtigen aus Kapitalvermögen kam nicht in Betracht, da jene Einnahmen dem Steuerpflichtigen steuerrechtlich nicht zuzurechnen waren.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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