03.12.2019

Ermäßigter Steuersatz für Einnahmen einer Hochschule aus der Auftragsforschung?

Für die Finanzierung des Trägers einer Wissenschafts- und Forschungseinrichtung i.S.v. § 68 Nr. 9 AO kommt es auf den Mitteltransfer an, der ihm ohne eigene Gegenleistung zufließt. Zum Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 9 AO gehören nur notwendige Nebentätigkeiten zur Eigen- und Grundlagenforschung.

BFH v. 26.9.2019, V R 16/18
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Hochschule in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und § 2 Abs. 1 Satz 1 HG NRW). Anfang 2001 hatte sie sich in einem Werkvertrag zur Durchführung und Erstellung einer wissenschaftlichen Studie verpflichtet. Auftraggeber waren mehrere Verbände gesetzlicher Krankenkassen. In der Folgezeit beauftragte die Klägerin dafür auch Unterauftragnehmer.

Die Klägerin war der Auffassung, dass ihre für die Erstellung der Studie gegen Entgelt im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art (BgA) erbrachten Leistungen gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG i.V.m. § 68 Nr. 9 AO dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Das Finanzamt ging hingegen davon aus, dass die Zweckbetriebsvoraussetzungen nach § 68 Nr. 9 AO nicht vorliegen, da sich die Tätigkeit in der Erarbeitung der Studie erschöpft habe. Das Ergebnis der Studie sei kein Forschungsergebnis gewesen, sondern eine betriebswirtschaftliche Analyse, die wissenschaftlich erarbeitet worden sei. Es habe nicht die Erzielung wissenschaftlicher Ergebnisse im Vordergrund gestanden. Die Klägerin habe projektleitend gearbeitet und dabei die eigenen Erhebungen und die der beteiligten Wissenschaftler zu einem Gesamtergebnis zusammengefügt.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Gründe:
Die Klägerin hatte als Unternehmer steuerbare und steuerpflichtige Leistungen bei der entgeltlichen Erstellung einer Studie erbracht. Zur Frage des hieraus anzuwendenden Steuersatzes hat das FG die Zweckbetriebseigenschaft nach § 68 Nr. 9 AO zu Unrecht im Hinblick auf das dort vorgesehene Finanzierungserfordernis verneint.

Für die Finanzierung eines Trägers einer Wissenschafts- und Forschungseinrichtung kommt es auf den Mitteltransfer an, der ihm ohne eigene Gegenleistung zufließt. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG ermäßigt den Steuersatz für die Leistungen der nach §§ 51 ff. AO steuerbegünstigten Körperschaften. Dies gilt gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG i.V.m. § 64 Abs. 1 AO für die Leistungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nur, wenn es sich bei diesem um einen Zweckbetrieb handelt.

Unabhängig von den Bedingungen der allgemeinen Definition in § 65 AO sind auch "Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen" Zweckbetriebe unter den Voraussetzungen von § 68 Nr. 9 AO. Dies gilt für "Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen, deren Träger sich überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung finanziert. Der Wissenschaft und Forschung dient auch die Auftragsforschung. Nicht zum Zweckbetrieb gehören Tätigkeiten, die sich auf die Anwendung gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse beschränken, die Übernahme von Projektträgerschaften sowie wirtschaftliche Tätigkeiten ohne Forschungsbezug". Eine unionsrechtliche Grundlage für eine allgemeine Steuersatzermäßigung der Leistungen der Träger von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG i.V.m. § 68 Nr. 9 AO besteht nicht. Dies führt zu einer einschränkenden Auslegung der Begriffe, die eine Steuersatzermäßigung über den unionsrechtlich zulässigen Rahmen hinaus ermöglichen.

Im Streitfall lagen jedoch die Finanzierungsvoraussetzungen in der Person der Steuerpflichtigen des § 68 Nr. 9 Satz 1 AO vor. Der Senat konnte jedoch nicht durchentscheiden, da das FG zur Frage der Zweckbetriebseigenschaft keine Feststellungen getroffen hatte. Er verwies den Streitfall an die Vorinstanz zurück und gab dazu nachfolgende Hinweise:
  • § 68 Nr. 9 AO begünstigt Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen und damit wissenschaftliche und forschende Tätigkeiten, die der Träger derartiger Einrichtungen gegen Entgelt erbringt. Die Begriffe Wissenschaft und Forschung sind dabei im Bereich der Umsatzbesteuerung entgeltlicher Leistungen bereits aus Gründen des Unionsrechts, das hierfür keine Steuersatzbegünstigung vorsieht, eng auszulegen.
  • Eine enge Auslegung wird zudem durch den Willen des historischen Gesetzgebers bestätigt (BTDrucks 13/4839, S. 89).
  • Bei seiner Entscheidung wird das FG auch zu berücksichtigen haben, ob die Steuerpflichtige die von ihr als zweckbetriebszugehörig angesehene Tätigkeit selbst oder durch Unterauftragnehmer (Subunternehmer) erbracht hat. Letzteres spricht gegen die Verwertung eigener Forschungsergebnisse als Nebentätigkeit.
  • Im Übrigen kann die Steuerpflichtige im Hinblick auf die unionsrechtlichen Grundlagen nicht geltend machen, dass sich eine - unionsrechtlich erforderliche - soziale Zielsetzung daraus ergebe, dass sie eine Studie für gesetzliche Krankenkassen zur Entscheidung über den Umfang der von diesen erbrachten Leistungen erstellt habe. Denn aus der Erbringung einer einzelnen Leistung folgt nicht, dass es sich bei dem Leistungserbringer um eine Einrichtung handelt, die - wie es das Unionsrecht erfordert - sowohl gemeinnützig als auch für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit tätig ist.
  • Für Auftragsforschung liegt schließlich auch nicht die Zweckbetriebsvoraussetzung des § 65 AO vor.
     
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