06.05.2021

Ermittlung der ortsüblichen Marktmiete i.S. des § 21 Abs. 2 EStG - Vorrang des örtlichen Mietspiegels

Die ortsübliche Marktmiete ist grundsätzlich auf der Basis des Mietspiegels zu bestimmen. Kann ein Mietspiegel nicht zugrunde gelegt werden oder ist er nicht vorhanden, kann die ortsübliche Marktmiete z.B. mit Hilfe eines mit Gründen versehenen Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen i.S. des § 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB, durch die Auskunft aus einer Mietdatenbank i.S. des § 558a Abs. 2 Nr. 2 BGB i.V.m. § 558e BGB oder unter Zugrundelegung der Entgelte für zumindest drei vergleichbare Wohnungen i.S. des § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB ermittelt werden; jeder dieser Ermittlungswege ist grundsätzlich gleichrangig.

Kurzbesprechung
BFH v. 22.2.2021 - IX R 7/20

EStG § 9 Abs. 1 u. 2
BGB § 558, § 558a Abs. 2 Nr. 2, § 558a Abs. 2 Nr. 3, § 558a Abs. 2 Nr. 4, § 558c, § 558d
BetrKV § 2 Nr. 4


Macht der Steuerpflichtige Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG) aus der verbilligten --d.h. nicht marktgerechten-- Vermietung von Wohnraum geltend, kann sich mit Blick auf § 21 Abs. 2 EStG eine anteilige Kürzung seiner Werbungskosten ergeben. Beträgt das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken weniger als 66 Prozent der ortsüblichen Marktmiete, so ist die Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen (§ 21 Abs. 2 Satz 1 EStG). Beträgt das Entgelt bei auf Dauer angelegter Wohnungsvermietung mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Miete, gilt die Wohnungsvermietung als entgeltlich (§ 21 Abs. 2 Satz 2 EStG).

Maßstab für die Berechnung der Entgeltlichkeitsquote im Rahmen des § 21 Abs. 2 EStG ist die ortsübliche Marktmiete. Darunter ist die ortsübliche Kaltmiete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung unter Einbeziehung der Spannen des örtlichen Mietspiegels zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung (BetrKV) vom 25.11.2003 (BGBl I 2003, 2346, geändert durch Art. 4 des Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen vom 03.05.2012 [BGBl I 2012, 958]) umlagefähigen Kosten zu verstehen.

Die maßgebliche ortsübliche Marktmiete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung ergibt sich grundsätzlich aus dem örtlichen Mietspiegel, der gemäß des Gesetzeswortlauts im Sinne einer "Marktmiete" ein breites Spektrum von Wohnungen aus der Gemeinde berücksichtigt. Hierzu gehören sowohl der einfache Mietspiegel nach § 558c BGB als auch der qualifizierte Mietspiegel nach § 558d BGB.

Dabei ist denkgesetzlich jeder der Mietwerte --nicht nur der Mittelwert-- als ortsüblich anzusehen, den der Mietspiegel im Rahmen einer Spanne zwischen mehreren Mietwerten für vergleichbare Wohnungen ausweist. Erst die Über- oder Unterschreitung der jeweiligen Grenzwerte führt zur Unüblichkeit. Dies ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, der als "üblich" dasjenige zu bezeichnen pflegt, das sich "im Rahmen des Üblichen", also innerhalb einer gewissen Spanne bewegt.

Der örtliche Mietspiegel kann allerdings ausnahmsweise nicht zugrunde gelegt werden, wenn er nicht regelmäßig an die Marktentwicklung angepasst wird oder an substanziellen Defiziten in der Datenerhebung leidet oder aus sonstigen substantiierten Gründen einen mangelhaften Erkenntniswert hat und daher im Einzelfall kein realitäts- und sachgerechtes Bild über die ortsübliche Marktmiete vergleichbarer Wohnungen wiedergibt. Entsprechendes gilt bei Sonderobjekten, die nicht dem im Mietspiegel definierten Anwendungsbereich unterfallen.

Gibt ein Mietspiegel nur Richtwerte für das Mietniveau von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern an, weist das zu beurteilende vermietete Einfamilienhaus aber im Hinblick auf Größe und Ausstattung im Vergleich zu einer Mietwohnung keine Besonderheiten auf, so kann der Vergleichswert des Mietspiegels gleichwohl einen Anhaltspunkt für den Mietwert eines vergleichbaren Einfamilienhauses geben, der durch einen Zuschlag für die gesteigerte Wohnqualität beim Bewohnen eines Einfamilienhauses anzupassen ist.

Kann ein örtlicher Mietspiegel nicht zugrunde gelegt werden oder ist er nicht vorhanden, kann z.B. auf ein mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen i.S. des § 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB, die Auskunft aus einer Mietdatenbank i.S. des § 558a Abs. 2 Nr. 2 BGB i.V.m. § 558e BGB oder die Entgelte für einzelne vergleichbare Wohnungen i.S. des § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB zurückgegriffen werden. Bei letzterer Alternative müssen zumindest drei Wohnungen nach Adresse, Lage und Stockwerk benannt werden.

Im entschiedenen Streitfall hatte das FG hat die ortsübliche Marktmiete nicht mit Hilfe des vorhandenen Mietspiegels ermittelt, sondern die ortsübliche Marktmiete nur unter Heranziehung der Miete für eine an einen Fremdmieter im selben Haus vermietete Wohnung gleicher Art, Größe und Ausstattung ermittelt. Das FG hat die ortsübliche Marktmiete daher nicht unter Berücksichtigung eines breiten Spektrums von Vergleichswohnungen aus der Gemeinde ermittelt. Der BFH verwies den Streitfall daher an die Vorinstanz zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung zurück.

Hinweis: Der BFH stellte klar, dass er an seinem Beschluss v. 19.09.2008 - IX B 102/08 (BFH/NV 2009, 246) insoweit nicht mehr festhält, als er dort für die Sachverhaltsaufklärung eine vergleichbare, im gleichen Haus liegende, fremdvermietete Wohnung als Maßstab für die Ortsüblichkeit als ausreichend angesehen hat.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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