30.03.2020

Ersparte Überführungskosten führen nicht zu einem geldwerter Vorteil

Der Endpreis i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG stellt auf den Endpreis für die konkret zu bewertende Leistung ab. Werden mehrere Leistungen zugewandt, ist für jede Leistung gesondert eine Verbilligung und ein damit einhergehender Vorteil zu ermitteln. Wird dem Arbeitnehmer - anders als einem fremden Endkunden - tatsächlich keine Überführungsleistung (hier eines Fahrzeugs) erbracht, scheidet insoweit die Annahme eines nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG zu bewertenden geldwerten Vorteils aus.

BFH v. 16.1.2020 - VI R 31/17
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ermöglicht ihren aktiven und ehemaligen Mitarbeitern auf der Grundlage bestehender Betriebsvereinbarungen den Erwerb von ihr produzierter Fahrzeuge zu vergünstigten Konditionen. Die Auslieferung der Fahrzeuge weicht in diesen Fällen von der Auslieferung gegenüber fremden Endkunden ab. Fertig produzierte Fahrzeuge verbringt die Klägerin zunächst vom jeweiligen Produktionsstandort im In- oder Ausland in eines ihrer Versandzentren (in Deutschland). Von dort erfolgt keine unmittelbare Auslieferung an fremde Endkunden. Diese haben die Wahl, das Fahrzeug bei einer (unselbständigen) Niederlassung der Klägerin, einem ihrer (selbständigen) Vertragshändler oder in der sog. Markenwelt in Z in Empfang zu nehmen.

In allen Fällen werden dem fremden Endkunden vom Fahrzeugtyp abhängige Überführungskosten berechnet und optional weitere kostenpflichtige Leistungspakete (Zulassungsservice, Teilbetankung, Auslieferungsgeschenk, Fahrzeugeinweisung und weitergehende Dienstleistungen in der Markenwelt) angeboten. An Mitarbeiter der Klägerin erfolgt die Auslieferung abhängig vom inländischen Beschäftigungsort bei
  • den in den Werken A, B und C beschäftigten Mitarbeitern am jeweiligen Werksstandort (Gruppe 1),
  • den Mitarbeitern der Zentrale, des Werkes und der Niederlassung Z am Versandzentrum Z (Gruppe 2),
  • den Mitarbeitern der Niederlassungen außer Z wahlweise am Versandzentrum Z (Gruppe 3a) oder an der jeweiligen Niederlassung der Klägerin (Gruppe 3b).


(Vergünstigte) Überführungskosten berechnet die Klägerin ihren Mitarbeitern nur im Fall der Auslieferung in einer Niederlassung außerhalb Z (Gruppe 3b); In den anderen Fällen der Auslieferung an Mitarbeiter berechnet die Klägerin keine Überführungskosten.

Soweit die Klägerin ihren Arbeitnehmern vergünstigte Überführungskosten berechnet (Gruppe 3b), erklärt sie die sich aus dieser Vergünstigung ergebenden geldwerten Vorteile in den jeweiligen Lohnsteuer-Anmeldungen, behält entsprechende Lohnsteuer ein und führt sie ab. In Fällen, in denen die Klägerin ihren Mitarbeitern keine Überführungskosten berechnet (Gruppen 1, 2, 3a, also Auslieferung in den Werken außerhalb Z und im Versandzentrum Z), ermittelt sie die geldwerten Vorteile aus dem Erwerb von Fahrzeugen zu Mitarbeiterkonditionen ohne Berücksichtigung von Überführungskosten.

Nach der beschriebenen Vorgehensweise reichte die Klägerin beim Finanzamt eine Lohnsteuer-Anmeldung für Mai 2015 ein. Daraufhin erließ die Behörde gegenüber der Klägerin einen Haftungsbescheid, den es damit begründete, dass sich für Mai 2015 aus den Arbeitnehmern der Gruppen 1 bis 3a nicht berechneten Überführungskosten geldwerte Vorteile ergeben hätten, die die Klägerin in der Lohnsteuer-Anmeldung unberücksichtigt gelassen und daher Lohnsteuer unzutreffend einbehalten und abgeführt habe.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Gründe:
Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass der Haftungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer rechtmäßig ist. Schließlich führen die vom Finanzamt als Arbeitslohn angesetzten Überführungskosten nicht zu einem geldwerten Vorteil der betroffenen Arbeitnehmer.

Der Endpreis i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG stellt auf den Endpreis für die konkret zu bewertende Leistung ab. Werden mehrere Leistungen zugewandt, ist für jede Leistung gesondert eine Verbilligung und ein damit einhergehender Vorteil zu ermitteln. Wird dem Arbeitnehmer --anders als einem fremden Endkunden-- tatsächlich keine Überführungsleistung (hier eines Fahrzeugs) erbracht, scheidet insoweit die Annahme eines nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG zu bewertenden geldwerten Vorteils aus.

Bei der Auslieferung von Fahrzeugen an den deutschen Werksstandorten oder am Versandzentrum waren Überführungskosten tatsächlich nicht angefallen. Insbesondere rechnen Kosten, die (noch) im Rahmen der Produktion durch die Auslieferung von den einzelnen in- und ausländischen Produktionsstätten zu einem Versandzentrum und auch von einem Werk zum anderen anfallen, zu den Herstellungskosten des Fahrzeugs. Sie sind damit im empfohlenen Listenpreis enthalten. "Überführungskosten" im hier streitigen Sinn fallen demgegenüber erst für die Lieferung eines Fahrzeugs von einem Versandzentrum zu einer Niederlassung oder zu einem Händler an. Diese sind somit nicht Teil des Listenpreises für das Fahrzeug, sondern werden dem Endkunden separat in Rechnung gestellt.

Die Überführung eines Fahrzeugs von einem Versandzentrum zu einer Niederlassung ist damit - ebenso wie die Lieferung einer Ware in die Wohnung des Arbeitnehmers - eine zusätzliche Leistung der Steuerpflichtigen an ihre Mitarbeiter, deren Kosten nicht den Warenwert des zugewendeten Wirtschaftsguts (Fahrzeug) erhöht und damit auch nicht zum Endpreis i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG zählt, sondern die vielmehr ggf. einen gesonderten Sachbezug begründet. Da in den streitigen Fällen Überführungen gerade nicht stattgefunden hatten, war den Mitarbeitern aufgrund ihres Arbeitsverhältnisses insoweit auch kein Vorteil zugeflossen, der nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG zu bewerten wäre.

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