30.06.2022

Erwerb einer gemischt genutzten Photovoltaikanlage; volle Zuordnung zum Unternehmen durch Abschluss eines Einspeisevertrags

Für die Dokumentation der Zuordnung ist keine fristgebundene Mitteilung an die Finanzbehörde erforderlich. Liegen innerhalb der Dokumentationsfrist nach außen hin objektiv erkennbare Anhaltspunkte für eine Zuordnung vor, können diese der Finanzbehörde auch noch nach Ablauf der Frist mitgeteilt werden. Die Tatsache, dass im Lauf des Jahres, in dem eine Photovoltaikanlage erworben wurde, ein Vertrag mit dem Recht zum Weiterverkauf des gesamten von der Anlage erzeugten Stroms zuzüglich Umsatzsteuer abgeschlossen wurde, ist ein Indiz dafür, dass der Steuerpflichtige die Photovoltaikanlage dem Unternehmen voll zugeordnet hat.

Kurzbesprechung
BFH v. 4. 5. 2022 - XI R 29/21 (XI R 7/19)

UStG § 15 Abs 1 S 1 Nr. 1
EGRL 112/2006 Art 167, 112/2006 Art 168 Buchst a, 112/2006 Art 168a
FGO § 105 Abs 3 S 2
AO § 149 Abs 3


Streitig war der Vorsteuerabzug aus der Errichtung einer Photovoltaikanlage. Der Steuerpflichtige erwarb im Jahr 2014 (Streitjahr) eine Photovoltaikanlage. Den seit 22.09.2014 erzeugten Strom verbrauchte er teilweise selbst, teilweise speiste er ihn in das Stromnetz eines Netzbetreibers ein. Der Einspeisevertrag vom 25.09.2014 sieht für den gelieferten Strom eine Vergütung pro kWh zuzüglich Umsatzsteuer vor. Entsprechend wurden in einer Gutschrift des Netzbetreibers vom 19.01.2015 die im Streitjahr ausgeführten Stromlieferungen des Steuerpflichtigen abgerechnet.

Das FA versagte den Vorsteuerabzug für die Photovoltaikanlage, weil der Steuerpflichtige nicht rechtzeitig (bis zum 31. Mai des Folgejahres) eine Zuordnungsentscheidung getroffen habe. Das FA machte als Folge hiervon auch den Ansatz der unentgeltlichen Wertabgabe rückgängig.

Das FG wies die Klage, mit der der Steuerpflichtige vortrug, er habe mit Abschluss des Einspeisevertrags seine Zuordnungsentscheidung nach außen dokumentiert, ab.

Im Revisionsverfahren gab der BFH jedoch der Klage statt. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Die nach § 15 UStG abziehbaren Vorsteuerbeträge sind für den Besteuerungszeitraum abzusetzen, in den sie fallen (§ 16 Abs. 2 Satz 1 UStG).

Bei Bezug eines einheitlichen Gegenstands, der gemischt verwendet wird oder werden soll, steht nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH dem Unternehmer ein Zuordnungswahlrecht zu: Er kann den Gegenstand insgesamt seinem Unternehmen zuordnen oder in vollem Umfang in seinem Privatvermögen belassen oder den Gegenstand entsprechend dem ‑‑geschätzten‑‑ unternehmerischen Nutzungsanteil seinem Unternehmen zuordnen.

Im Streitfall bestand danach ein solches Zuordnungswahlrecht des Steuerpflichtigen, da er den von der Photovoltaikanlage erzeugten Strom teilweise steuerpflichtig geliefert und teilweise für private Zwecke verbraucht hatte.

Die Dokumentation der Zuordnung erfordert keine Mitteilung gegenüber der Finanzbehörde. Soweit der BFH darauf abgestellt hat, dass keine "zeitnahe" Dokumentation der Zuordnungsentscheidung vorliege, wenn die Zuordnungsentscheidung dem FA erst nach Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist von Steuererklärungen mitgeteilt werde bzw. eine "zeitnahe" Dokumentation der Zuordnungsentscheidung nur dann vorliege, wenn diese bis zur gesetzlichen Abgabefrist für Steuererklärungen dem FA gegenüber abgegeben wurde, bezieht sich dies auf Fallgestaltungen, in denen sich keine Zuordnung aus anderen vor Ablauf der Zuordnungsfrist objektiv erkennbaren Anhaltspunkten ergab.

Im Streitfall stand daher dem Vorsteuerabzug des Steuerpflichtigen nicht entgegen, dass er seine im Jahr 2014 erfolgte Zuordnung zum Unternehmen erst am 29.02.2016 dem FA mitgeteilt hatte.

Beim Erwerb eines gemischt (für unternehmerische und private Zwecke genutzten) Gegenstands hängt es von der Wahl des Steuerpflichtigen, in dieser Eigenschaft zu handeln, ab, ob das Mehrwertsteuersystem und damit der Mechanismus des Vorsteuerabzugs zur Anwendung kommt. Die Zuordnung zum Unternehmen kommt dadurch zum Ausdruck, dass der Steuerpflichtige beim Erwerb des Gegenstands ganz oder teilweise als solcher handelt.

Die durch objektive Anhaltspunkte gestützte Zuordnungsentscheidung des Unternehmers ist grundsätzlich bei Anschaffung, Herstellung oder Einlage des Gegenstands zu treffen. Eine sofortige Verwendung für die wirtschaftliche Tätigkeit ist nicht erforderlich.

Als objektive Anhaltspunkte für eine ausdrückliche oder konkludente Zuordnung zum Unternehmen können neben der Geltendmachung oder Nichtgeltendmachung des Vorsteuerabzugs auch andere Beweisanzeichen herangezogen werden: So kann zu berücksichtigen sein, ob der Unternehmer bei An- und Verkauf des gemischt genutzten Gegenstands unter seinem Firmennamen auftritt, ob er den Gegenstand betrieblich oder privat versichert hat oder wie er den Gegenstand bilanziell bzw. ertragsteuerrechtlich behandelt hat.

Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen lag im Streitfall eine Zuordnung vor; denn der Steuerpflichtige hatte mit dem Netzbetreiber in dem bereits im Streitjahr abgeschlossenen Einspeisevertrag vereinbart, dass seine Stromlieferungen umsatzsteuerpflichtig erfolgen sollen, so dass bereits bei Erwerb der Photovoltaikanlage objektiv erkennbar die Absicht bestand, diese als Unternehmer für eine wirtschaftliche Tätigkeit verwenden zu wollen. Die Bedingungen des Einspeisevertrags entsprechen denen, die Unternehmern und nicht Privatpersonen angeboten werden. Daraus ergibt sich, dass der Steuerpflichtige bereits bei Erwerb der Photovoltaikanlage als Steuerpflichtiger handeln wollte und gehandelt hat.

Hinweis: Mit größtenteils begründungsidentischem Urteil v. 4. 5. 2022 - XI R 29/21 (XI R 7/19 hat der BFH zusätzlich entschieden, dass die Tatsache, dass im Lauf des Jahres, in dem eine Photovoltaikanlage erworben wurde, ein Vertrag mit dem Recht zum Weiterverkauf des gesamten von der Anlage erzeugten Stroms zuzüglich Umsatzsteuer abgeschlossen wurde, ein Indiz dafür ist, dass der Steuerpflichtige die Photovoltaikanlage dem Unternehmen voll zugeordnet hat.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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