02.04.2012

EuGH-Vorlage zur sog. Entstrickungsbesteuerung nach § 20 UmwStG 1995

Das FG Hamburg hat den EuGH zur Klärung unionsrechtlicher Fragen angerufen, die die Besteuerung stiller Reserven (sog. Entstrickungsbesteuerung) im Zusammenhang mit einem gesellschaftsrechtlichen Umwandlungsvorgang betreffen. Der vorlegende Senat hat Zweifel, ob die Regelung des § 20 Abs. 3 und 4 UmwStG 1995 mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist.

FG Hamburg 26.1.2012, 2 K 224/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine in Österreich ansässige Gesellschaft. Ihre Rechtsvorgängerin und eine weitere österreichische Gesellschaft, die beide später zur Klägerin verschmolzen sind, waren zunächst als Kommanditisten an einer deutschen Kommanditgesellschaft beteiligt, Komplementärin war eine inländische GmbH. In diese GmbH brachten die österreichischen Gesellschaften im Wege der Sacheinlage ihre Anteile an der KG ein und erhielten hierfür Anteile an der GmbH, die KG war damit aufgelöst. In der Übernahmebilanz der aufnehmenden GmbH wurde das eingebrachte Betriebsvermögen mit den Buchwerten angesetzt.

Das Finanzamt bewertete die mit Wirkung zum 1.1.2001 von beiden österreichischen Gesellschaften in die inländische GmbH eingebrachten Mitunternehmeranteile gem. § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 dagegen mit dem Teilwert und setzte mit Feststellungsbescheid für 2000 entsprechende Veräußerungsgewinne fest. Auch bei der aufnehmenden GmbH wurde der Einlagewert mit dem Teilwert berücksichtigt. Die Klägerin macht demgegenüber mit ihrer gegen den Feststellungsbescheid gerichteten Klage geltend, dass die Besteuerung des Einbringungsgewinns zwar dem Wortlaut des § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 entspreche, aber die unionsrechtlich geschützte Niederlassungsfreiheit verletze.

Die Niederlassungsfreiheit sei verletzt, weil die Buchwertfortführung allein deshalb versagt werde, weil die einbringenden Mitunternehmer ihren Sitz in Österreich hätten und das Besteuerungsrecht für die Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nach dem zwischen Deutschland und Österreich bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen dem Sitzstaat zugewiesen werde. Hätten die österreichischen Gesellschaften dagegen ihren Sitz im Inland gehabt, käme es nicht zur Aufdeckung der in den eingebrachten Anteilen ruhenden stillen Reserven und damit nicht zur sofortigen Besteuerung eines Veräußerungsgewinns.

Das FG Hamburg hat den EuGH zur Klärung unionsrechtlicher Fragen angerufen.

Die Gründe:
Das FG hat Zweifel, ob die Regelung des § 20 Abs. 3 und 4 UmwStG 1995 mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist.

Der Klärung durch den EuGH bedarf dabei u.a. auch die Frage, ob eine etwaige Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit gerechtfertigt sein könnte, etwa durch eine gerechte Aufteilung des Besteuerungssubstrats zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten, und ob nicht jedenfalls die Sofortbesteuerung unverhältnismäßig ist. Des Weiteren ist ggf. zu klären, ob eine im UmwStG 1995 vorgesehene - antragsabhängige - Stundungsregelung für die Besteuerung des Veräußerungsgewinns in fünf jährlichen Teilbeträgen ausreichend ist, um die Nachteile der Wertaufdeckung aus unionsrechtlicher Sicht aufzuwiegen.

Hintergrund:
Auch wenn das Ausgangsverfahren mit § 20 UmwStG 1995 ausgelaufenes Recht zum Gegenstand hat, dürften die Vorlagefragen auch für die aktuelle Rechtslage von einiger Bedeutung sein, weil die sog. Entstrickungsbesteuerung nach wie vor in der Diskussion steht und die Fünftel-Regelung in verschiedenen vom Gesetzgeber als "europäisiert" angesehenen Gesetzen Anwendung findet (§§ 4 Abs. 1 S. 3 und 4 EStG i.V.m. § 4g Abs. 1 und 2 EStG, §§ 36 Abs. 5, 12 Abs. 1 S. 1 KStG).

FG Hamburg PM vom 30.3.2012
Zurück