17.11.2011

EuGH-Vorlage zur Verhängung von Sanktionen bei in nicht zutreffender Höhe beantragter Ausfuhrerstattung

Der BFH hat dem EuGH gem. Art. 267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist eine Sanktion gegen einen Ausführer zu verhängen, der unter zutreffender Darstellung des für die Gewährung von Ausfuhrerstattung maßgeblichen Sachverhalts einen Erstattungsantrag stellt, obwohl für die betreffende Ausfuhr tatsächlich kein Erstattungsanspruch besteht?

BFH 7.9.2011, VII R 45/10
Hintergrund:
Werden landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der EU in Drittländer ausgeführt, kann der Exporteur für bestimmte Ausfuhrerzeugnisse die Gewährung einer Subvention (sog. Ausfuhrerstattung) beantragen, die den Unterschied zwischen den im Vergleich zu den Weltmarktpreisen höheren Unionspreisen der Erzeugnisse ausgleicht und damit ihre Vermarktung in Drittländern ermöglicht. Stellt sich heraus, dass der Exporteur eine höhere als die ihm zustehende Ausfuhrerstattung beantragt hat, muss er nicht nur den zu Unrecht erhaltenen Betrag zurückzahlen, sondern darüber hinaus eine Sanktion i.H.v. 50 Prozent dieses Betrags entrichten.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin wendet sich gegen eine vom beklagten Hauptzollamt gegen sie verhängte Verwaltungssanktion, die im Zusammenhang mit zwischen 1997 und 1998 durchgeführten Ausfuhren in sog. Isolierschlachtbetrieben erschlachteten Rindfleisches steht. Da solches Fleisch nicht "von gesunder und handelsüblicher Qualität" und daher nicht erstattungsfähig ist, wie der EuGH mit Urteil vom 26.5.2005 (C-409/03) entschieden hat, forderte das Hauptzollamt die der Klägerin gewährten Vorschüsse auf die Ausfuhrerstattung durch inzwischen bestandskräftige Rückforderungsbescheide zurück.

Außerdem verhängte das Hauptzollamt gegen die Klägerin eine Sanktion mit der Begründung, die Klägerin habe eine höhere als die ihr zustehende Erstattung beantragt und dadurch den Tatbestand des Art. 11 Abs. 1 der (hier noch anzuwendenden insoweit durch die Verordnung (EG) Nr. 495/97 vom 18.3.1997 geänderten) Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen verwirklicht (heute: Art. 48 der Verordnung (EG) Nr. 612/2009 vom 7.7.2009).

Die Klägerin hatte die betreffenden Sendungen beim Ausfuhrzollamt zur Ausfuhr angemeldet und den Anmeldungen Genusstauglichkeitsbescheinigungen der Veterinärbehörde beigefügt, aus denen sich ergab, dass das Fleisch in Isolierschlachtbetrieben erschlachtet worden ist. Das Zollamt hatte die Ausfuhranmeldungen gleichwohl angenommen und an das Hauptzollamt als zentrale nationale Zahlstelle weitergeleitet. Die Genusstauglichkeitsbescheinigungen hat es jedoch dem Hauptzollamt nicht mit übersandt.

Das FG wies die gegen den Sanktionsbescheid gerichtete Klage ab. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Der BFH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vor: "Ist eine Sanktion gegen einen Ausführer zu verhängen, der unter zutreffender Darstellung des für die Gewährung von Ausfuhrerstattung maßgeblichen Sachverhalts einen Erstattungsantrag stellt, obwohl für die betreffende Ausfuhr tatsächlich kein Erstattungsanspruch besteht?"

Die Gründe:
Der beschließende Senat möchte auf die Revision der Klägerin den angefochtenen Sanktionsbescheid aufheben, weil die Klägerin bei der gebotenen Auslegung ihrer Ausfuhranmeldung keine höhere als die ihr zustehende Ausfuhrerstattung beantragt und deshalb den Sanktionstatbestand nicht verwirklicht hat. Der Senat ist sich indes seines dieser rechtlichen Würdigung des Streitfalls zugrundeliegenden Verständnisses der Sanktionsvorschrift nicht sicher, so dass er den EuGH gem. Art. 267 AEUV um eine diesbezügliche Klärung ersucht.

Der beschließende Senat hat erwogen, ob eine Sanktion stets verwirkt wird, wenn durch die Abgabe einer Ausfuhranmeldung Ausfuhrerstattung beantragt wird, welche dem Ausführer tatsächlich nicht zusteht, eine Sanktion also auch dann verwirkt ist, wenn sich aus den in der Ausfuhranmeldung im Einzelnen enthaltenen Angaben bei zutreffender rechtlicher Würdigung ergibt, dass dem Ausführer keine Ausfuhrerstattung zu zahlen ist.

Das vom EuGH (im Urteil vom 24.4.2008 - C-143/07) vertretene Verständnis des Art. 11 VO Nr. 3665/87 scheint nicht unzutreffende oder unvollständige Angaben des Ausführers in seinem Erstattungsantrag sanktionieren zu wollen, sondern das Stellen eines solchen (unberechtigten) Antrages als solches. Aus Sicht des BFH ist es jedoch zweifelhaft, ob auch in einem solchen Fall, in dem sich bereits aus dem Antrag und den dazugehörigen Unterlagen kein Anspruch auf Ausfuhrerstattung ergibt, der Antrag auf Ausfuhrerstattung also sofort abgelehnt werden könnte, eine Verwaltungssanktion gegen den Exporteur verhängt werden kann oder ob die Sanktion nicht vielmehr voraussetzt, dass der Antrag einen Anspruch auf Ausfuhrerstattung scheinbar vorgibt.

Der beschließende Senat ist deshalb der Auffassung - zu welcher er jedoch eine Entscheidung des EuGH für erforderlich hält -, dass eine Sanktion nur dann verwirkt wird, wenn sich aufgrund der Angaben in der Ausfuhranmeldung - weil diese (ggf. allerdings auch nur hinsichtlich künftiger Ereignisse) unzutreffend oder unvollständig sind - ein Erstattungsbetrag ergibt, der für die tatsächlich durchgeführte Ausfuhr nicht beansprucht werden kann.

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BFH PM Nr. 93 vom 16.11.2011
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