15.03.2019

Festsetzung eines Verzögerungsgeldes muss ermessensgerecht sein

Die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes nach § 146 Abs. 2b AO wegen Nichteinräumung eines Datenzugriffs durch das Finanzamt muss ermessensgerecht erfolgen. Im Hinblick auf den Zweck des Verzögerungsgeldes kommt es bei Erwägungen des Finanzamts ausschließlich auf Verzögerungen beim betroffenen Steuerpflichtigen, nicht aber auf generalpräventive Aspekte an.

FG Münster v. 8.2.2019 - 4 K 590/17 AO
Der Sachverhalt:

Der Kläger betreut als Rechtsanwalt und Notar auch steuerliche Mandate. Das Finanzamt ordnete bei ihm eine Außenprüfung an. Nachdem sich der Kläger erfolglos gegen die Prüfungsanordnung und andere damit verbundene Einzelmaßnahmen gewehrt hatte, versuchte der Prüfer mehrfach vergeblich, mit dem Kläger Termine abzustimmen, um die Prüfung fortzusetzen. Mehrere Anforderungen des Prüfers, Buchführungsunterlagen in digitaler Form vorzulegen, hob er nach Anfechtung durch den Kläger wieder auf. Gegen eine weitere Aufforderung zur Vorlage von Daten legte der Kläger ebenfalls Einspruch ein und stellte einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.

 

Ohne hierüber entschieden zu haben, setzte das Finanzamt zwei Wochen nach Fristablauf wegen der Nichteinräumung des Datenzugriffs ein Verzögerungsgeld i.H.v. 4.000 € gegen den Kläger fest. Hierbei stützte es sich im Wesentlichen darauf, dass beim Kläger eine potenzielle Wiederholungsgefahr in Bezug auf die von ihm betreuten steuerlichen Mandate vorliege, der Kläger sich hartnäckig geweigert habe, die digitalen Daten vorzulegen und er die Gründe für die Verzögerung nicht ausreichend entschuldigt habe.

 

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen.

 

Die Gründe:

Nach § 146 Abs. 2b AO kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € u. a. festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Pflichten zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt. Dahinstehen kann, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 146 Abs. 2b AO - wie der Kläger in Abrede stellt - vorliegend erfüllt sind. Denn jedenfalls hat das Finanzamt sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt, weshalb es des vom Kläger im Hinblick auf das beim BFH unter dem Az. X R 8/18 anhängigen Revisionsverfahren beantragten Ruhens des Verfahrens nicht bedurfte.

 

Die vom Finanzamt angenommene potenzielle Wiederholungsgefahr wegen der Betreuung steuerlicher Mandate als Rechtsanwalt und Notar stellt eine sachfremde Erwägung dar, die mit dem Zweck des Verzögerungsgeldes nicht vereinbar ist. Vielmehr kommt es ausschließlich auf Verzögerungen beim betroffenen Steuerpflichtigen, nicht aber auf generalpräventive Aspekte an. Das Finanzamt hat auch nicht hinreichend berücksichtigt, dass es noch gar nicht über den Aussetzungsantrag zur Datenüberlassung entschieden hatte. Da solche Anträge unverzüglich zu bearbeiten sind, hätte es Ermessenserwägungen dazu anstellen müssen, warum auf die Datenanforderung vor der Entscheidung weitere belastende Maßnahmen wie das Verzögerungsgeld gestützt werden.

 

In Bezug auf die vom Finanzamt als gewichtig und hartnäckig gewerteten Pflichtverletzungen des Klägers hat das Finanzamt nicht in seine Ermessenerwägungen einbezogen, dass der Prüfer jede seiner früheren Datenanforderungen aufgehoben hatte. Der seit der einzigen noch bestehenden Anforderung vergangene Zeitraum von lediglich zwei Wochen, der letztlich für die Festsetzung des Verzögerungsgelds entscheidend war, kann gerade nicht als hartnäckig bezeichnet werden. Schließlich hat das Finanzamt nicht beachtet, dass das Fehlen von Entschuldigungsgründen nicht zu einer Vorprägung des Entschließungsermessens führt.

 

Linkhinweis:

 

FG Münster NL vom 15.3.2019
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