Forderungsverzicht eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft gegen Besserungsschein
Kurzbesprechung
BFH v. 19. 11. 2024 - VIII R 8/22
EStG § 17 Abs. 4, EStG § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, EStG § 20 Abs. 2 S. 2, EStG § 20 Abs. 4 S. 1, EStG § 20 Abs. 8 S. 1
HGB § 255 Abs. 1
Streitig war, ob der Forderungsverzicht eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft gegen Besserungsschein im Zeitpunkt des Verzichts zu berücksichtigen ist.
Der BFH entschied - dem Urteil der Vorinstanz folgend - , dass der Forderungsverzicht des Steuerpflichtigen nicht zu Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geführt hatte, sondern den tariflichen Einkünften des Steuerpflichtigen aus Kapitalvermögen zuzuordnen und im Streitjahr zu berücksichtigen war und § 20Abs. 8 Satz 1 EStG der Berücksichtigung des Verlusts aus dem Verzicht auf den nicht mehr werthaltigen Teil des Darlehensrückzahlungsanspruchs bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nicht entgegen stand.
Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG). Als Veräußerung gilt auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EStG). Beim Forderungsverzicht ist zwischen dem noch werthaltigen und dem nicht mehr werthaltigen Teil der Forderung zu unterscheiden. Insoweit werden unter Umständen jeweils unterschiedliche Besteuerungstatbestände verwirklicht.
Der Verlust des Steuerpflichtigen aus dem Verzicht auf den nicht mehr werthaltigen Teil der Forderung war im Streitjahr zu berücksichtigen. Gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG ist ein Gewinn beziehungsweise Verlust im Sinne des § 20 Abs. 2 EStG der Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten. Hat der Gesellschafter seiner Gesellschaft ein Darlehen gewährt, belaufen sich seine Anschaffungskosten für den Darlehensrückzahlungsanspruch regelmäßig auf den Nennbetrag der ausgereichten Mittel. Sie sind im Ausgangspunkt der gesamten Forderung zuzuordnen.
Verzichtet der Gesellschafter auf die Rückzahlung des Darlehens, verwirklicht er unter Umständen zwei verschiedene Besteuerungstatbestände. Die dadurch bei der Besteuerung des Gesellschafters aus Rechtsgründen zu beachtende Aufteilung der Forderung in einen werthaltigen und nicht mehr werthaltigen Teil hat zur Folge, dass auch die Anschaffungskosten den jeweils getrennt zu betrachtenden Teilen der ursprünglich einheitlichen Forderung anteilig zugeordnet werden.
Der Verlust des Steuerpflichtigen aus dem Forderungsverzicht war auch nicht wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht unbeachtlich. Denn die Einkünfteerzielungsabsicht wird im Anwendungsbereich der Abgeltungsteuer widerlegbar. Im Streitfall war die Vermutung nicht widerlegt worden. Weder war die Erzielung eines positiven Zinsüberschusses von vornherein ausgeschlossen noch, dass der Steuerpflichtige aus der KG beziehungsweise der späteren GmbH mittel- bis langfristig positive Beteiligungserträge oder einen Veräußerungsgewinn erzielen konnte.
Auch § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG stand der Berücksichtigung des Verlusts nicht entgegen. Die Vorschrift findet nur Anwendung, soweit die betreffenden Einkünfte unter anderem nicht zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zählen jedoch auch die Einkünfte im Sinne des § 17 EStG. § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG ist unter Berücksichtigung des Wortlauts ("soweit") dahin auszulegen, dass § 20 Abs. 2 EStG nur insoweit gesperrt ist, als sich der Verlust bei § 17 EStG auswirkt. Wirkt sich der Verlust bei der Anwendung von § 17 EStG in Höhe von 0 € aus, kann er gleichwohl bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend gemacht werden. § 20 Abs. 2 EStG wird danach von § 17 EStG nur verdrängt, wenn und soweit sich der Verlust im zu beurteilenden Zeitraum bei der Ermittlung der Einkünfte aus § 17 EStG auswirkt. Das setzt insbesondere voraus, dass die Tatbestände des § 20 Abs. 2 EStG und des § 17 Abs. 4 EStG im selben Veranlagungszeitraum verwirklicht werden. Im Streitfall hatte sich der Verlust des Steuerpflichtigen aus dem Verzicht auf den nicht mehr werthaltigen Teil der Forderung im Streitjahr nicht bei § 17 EStG ausgewirkt, mit der Folge, dass § 20 Abs. 2 EStG anwendbar war.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 17 Abs. 4, EStG § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, EStG § 20 Abs. 2 S. 2, EStG § 20 Abs. 4 S. 1, EStG § 20 Abs. 8 S. 1
HGB § 255 Abs. 1
Streitig war, ob der Forderungsverzicht eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft gegen Besserungsschein im Zeitpunkt des Verzichts zu berücksichtigen ist.
Der BFH entschied - dem Urteil der Vorinstanz folgend - , dass der Forderungsverzicht des Steuerpflichtigen nicht zu Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geführt hatte, sondern den tariflichen Einkünften des Steuerpflichtigen aus Kapitalvermögen zuzuordnen und im Streitjahr zu berücksichtigen war und § 20Abs. 8 Satz 1 EStG der Berücksichtigung des Verlusts aus dem Verzicht auf den nicht mehr werthaltigen Teil des Darlehensrückzahlungsanspruchs bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nicht entgegen stand.
Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG). Als Veräußerung gilt auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EStG). Beim Forderungsverzicht ist zwischen dem noch werthaltigen und dem nicht mehr werthaltigen Teil der Forderung zu unterscheiden. Insoweit werden unter Umständen jeweils unterschiedliche Besteuerungstatbestände verwirklicht.
Der Verlust des Steuerpflichtigen aus dem Verzicht auf den nicht mehr werthaltigen Teil der Forderung war im Streitjahr zu berücksichtigen. Gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG ist ein Gewinn beziehungsweise Verlust im Sinne des § 20 Abs. 2 EStG der Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten. Hat der Gesellschafter seiner Gesellschaft ein Darlehen gewährt, belaufen sich seine Anschaffungskosten für den Darlehensrückzahlungsanspruch regelmäßig auf den Nennbetrag der ausgereichten Mittel. Sie sind im Ausgangspunkt der gesamten Forderung zuzuordnen.
Verzichtet der Gesellschafter auf die Rückzahlung des Darlehens, verwirklicht er unter Umständen zwei verschiedene Besteuerungstatbestände. Die dadurch bei der Besteuerung des Gesellschafters aus Rechtsgründen zu beachtende Aufteilung der Forderung in einen werthaltigen und nicht mehr werthaltigen Teil hat zur Folge, dass auch die Anschaffungskosten den jeweils getrennt zu betrachtenden Teilen der ursprünglich einheitlichen Forderung anteilig zugeordnet werden.
Der Verlust des Steuerpflichtigen aus dem Forderungsverzicht war auch nicht wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht unbeachtlich. Denn die Einkünfteerzielungsabsicht wird im Anwendungsbereich der Abgeltungsteuer widerlegbar. Im Streitfall war die Vermutung nicht widerlegt worden. Weder war die Erzielung eines positiven Zinsüberschusses von vornherein ausgeschlossen noch, dass der Steuerpflichtige aus der KG beziehungsweise der späteren GmbH mittel- bis langfristig positive Beteiligungserträge oder einen Veräußerungsgewinn erzielen konnte.
Auch § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG stand der Berücksichtigung des Verlusts nicht entgegen. Die Vorschrift findet nur Anwendung, soweit die betreffenden Einkünfte unter anderem nicht zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zählen jedoch auch die Einkünfte im Sinne des § 17 EStG. § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG ist unter Berücksichtigung des Wortlauts ("soweit") dahin auszulegen, dass § 20 Abs. 2 EStG nur insoweit gesperrt ist, als sich der Verlust bei § 17 EStG auswirkt. Wirkt sich der Verlust bei der Anwendung von § 17 EStG in Höhe von 0 € aus, kann er gleichwohl bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend gemacht werden. § 20 Abs. 2 EStG wird danach von § 17 EStG nur verdrängt, wenn und soweit sich der Verlust im zu beurteilenden Zeitraum bei der Ermittlung der Einkünfte aus § 17 EStG auswirkt. Das setzt insbesondere voraus, dass die Tatbestände des § 20 Abs. 2 EStG und des § 17 Abs. 4 EStG im selben Veranlagungszeitraum verwirklicht werden. Im Streitfall hatte sich der Verlust des Steuerpflichtigen aus dem Verzicht auf den nicht mehr werthaltigen Teil der Forderung im Streitjahr nicht bei § 17 EStG ausgewirkt, mit der Folge, dass § 20 Abs. 2 EStG anwendbar war.