05.08.2011

Gesonderte Feststellung eines Verlustvortrags ist zeitlich begrenzt

Verbleibende Verlustvorträge können nach Ablauf der Feststellungsfrist nicht mehr gesondert festgestellt werden, wenn der Steuerpflichtige in den bereits festsetzungsverjährten Veranlagungszeiträumen, in welchen die Verluste nach § 10d Abs. 2 EStG hätten vorgetragen werden müssen, über zur Verlustkompensation ausreichende Gesamtbeträge der Einkünfte verfügt. Der Steuerpflichtige kann sich nach unterlassenem Untätigkeitseinspruch auch nicht auf Treu und Glauben berufen.

BFH 29.6.2011, IX R 38/10
Der Sachverhalt:
Dem Kläger waren in den Streitjahren 1997 bis 1999 im Zusammenhang mit seiner Ausbildung zum Piloten Aufwendungen entstanden. Diese erklärte er erstmals mit den am 8.5.2006 eingereichten Unterlagen zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs jeweils zum 31.12. der Streitjahre. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärungen waren die Einkommensteuern für die Jahre 1999 bis 2002 bereits bestandskräftig festgesetzt worden.

Das Finanzamt lehnte es allerdings ab, Verlustfeststellungen für die Streitjahre zu erlassen, weil die Feststellungsfristen für die Streitjahre 1997 und 1998 abgelaufen seien und die Einkommensteuer des Streitjahres 1999 bestandskräftig festgesetzt worden sei. Der Ablehnungsbescheid erging am 14.1.2008, nachdem die Bearbeitung wegen anhängiger Verfahren vor dem BFH zunächst zurückgestellt worden waren. Zum Zeitpunkt des Ablehnungsbescheids war in Bezug auf die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2000 bis 2002 Festsetzungsverjährung eingetreten.

Der Kläger war der Ansicht, es lägen die Voraussetzungen des § 181 Abs. 5 AO vor. Dessen Wortlaut ergebe ausdrücklich, dass Verluste festzustellen seien, soweit sie noch eine (mittelbare) Bedeutung hätten. Der Verlust werde nicht durch lediglich hypothetische Schattenberechnungen längst verjährter Zeiträume verbraucht.

Das FG wies die gegen den Ablehnungsbescheid gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Das FG hatte es zu Recht abgelehnt, verbleibende Verlustabzüge jeweils zum 31.12. der Streitjahre wegen Ablaufs der Feststellungsfrist gesondert festzustellen.

Die Voraussetzungen des § 181 Abs. 5 AO waren im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der Verlust konnte nach § 10d Abs. 2 S. 1 und S. 5 EStG 2002 (entspricht § 10d Abs. 2 S. 2 EStG, entspricht wiederum § 10d Abs. 2 S. 3 EStG i.d.F. ab 2004) nur in die Jahre bis einschließlich 2002 vorgetragen werden. In diesen Jahren stand nach den Feststellungen des FG allerdings soviel Gesamtbetrag der Einkünfte zur Verfügung, um den Verlust insgesamt zu kompensieren. Deshalb waren die Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2002 diejenigen, für die eine gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags allein von Bedeutung war.

Für die Festsetzungen der Veranlagungszeiträume 2000 bis 2002 war aber jeweils bereits die Festsetzungsfrist abgelaufen, als das Finanzamt den Ablehnungsbescheid erließ. Deshalb war auch der Ablehnungsbescheid rechtmäßig. Nach § 181 Abs. 5 S. 1 AO kommt es darauf an, ob die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen war. § 171 Abs. 10 AO ist in diesen Fällen nicht anwendbar. Da § 169 Abs. 1 S. 3 AO sinngemäß gilt, ist die Frist nur gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist der Feststellungsbescheid den Bereich des Finanzamtes verlassen hat.

Die Ablehnung des Finanzamtes verstieß auch nicht gegen Treu und Glauben, weil es der Behörde zeitlich noch möglich gewesen wäre, einen Feststellungsbescheid zu erlassen. Zwar mag es sein, dass die Festsetzungsfrist zumindest der Veranlagung für das Jahr 2002 noch nicht abgelaufen war, als der Kläger seinen Antrag stellte. Indes wurde die Bearbeitung dieses Antrags zunächst im Einvernehmen beider Beteiligter zurückgestellt. Wenn der Kläger aber im April 2007 die Aufnahme des Verfahrens begehrte, hätte er einen Untätigkeitseinspruch nach § 347 Abs. 1 S. 2 AO einlegen müssen, um die Wirkungen des § 171 Abs. 3a AO doch noch zu erreichen. Tut er dies nicht, kann er sich nicht auf Treu und Glauben berufen, um dann so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn er Einspruch eingelegt hätte.

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