23.11.2023

Gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Mieten für Standflächen bei Imbissbetrieben im Reisegewerbe

1. Eine Hinzurechnung von Mieten für Standflächen eines im Reisegewerbe tätigen Imbissbetriebs nach § 8 Nr. 1 Buchst. e des Gewerbesteuergesetzes ist wegen der Voraussetzungslosigkeit der Eigentumsfiktion unabhängig davon möglich, ob es im Reisegewerbe Vergleichsbetriebe gibt, die mit in ihrem Eigentum stehenden Verkaufsflächen arbeiten.
2. Auch eine regelmäßig nur für kurze Zeit erfolgende Anmietung von unterschiedlichen Standflächen bewirkt deren Zuordnung zum (fiktiven) Anlagevermögen, wenn sich die wiederholte kurzfristige Anmietung ähnlicher Standflächen als Surrogat einer langfristigen Nutzung solcher Standflächen darstellt.
3. Eine Umqualifizierung von Mieten für Standflächen in Herstellungskosten der angebotenen Produkte scheidet aus, wenn die Aufwendungen bei einer Gesamtbetrachtung unter das Einbeziehungsverbot für Vertriebskosten fallen (§ 255 Abs. 2 Satz 4 des Handelsgesetzbuchs).

Kurzbesprechung
BFH v. 12.10.2023 - III R 39/21

GewStG § 8 Nr. 1 Buchst e
HGB § 255 Abs 2 S 1, § 255 Abs 2 S 2, § 255 Abs 2 S 4


Die Steuerpflichtige, eine GmbH, erbringt mit Verkaufsständen an ständig wechselnden Orten gastronomische Leistungen in Form von zubereiteten Speisen. Für die Verkaufsstände mietet sie kurzzeitig ‑ jeweils für die Dauer von einzelnen Tagen bis hin zu mehreren Wochen ‑ Standplätze auf Märkten, Festivals und anderen Veranstaltungen an. Die zu verkaufenden Speisen bereitet sie in den Ständen zu. Hierfür erforderliche Betriebsmittel wie Wasser und Strom stellen die Vermieter zur Verfügung.

Das FA rechnete die Mieten für langfristige Anmietungen und Standmieten nach Maßgabe des § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzu. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Auch der BFH entschied im Revisionsverfahren, dass die Voraussetzungen für eine gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung der Mieten für die von der Steuerpflichtigen angemieteten Standplätze vorliegen.

Nach § 8 Nr. 1 GewStG werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG) ein Viertel der Summe aus den dort unter den Buchst. a bis f benannten Aufwendungen hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind und soweit die Summe den Betrag von 100.000 € übersteigt. Hinzugerechnet wird dabei auch ein Viertel aus der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen (§ 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG).

Im Streitfall war das FG zu Recht davon ausgegangen, dass die Standplätze bei unterstelltem Eigentum der Steuerpflichtigen zu deren Anlagevermögen gehört hätten und somit die Voraussetzungen für eine Hinzurechnung der für die angemieteten Standplätze aufgewendeten Entgelte vorlagen.

Wegen der Voraussetzungslosigkeit der Eigentumsfiktion kommt es insbesondere nicht darauf an, ob es im Reisegewerbe Vergleichsbetriebe gibt, die insoweit mit Eigenkapital, also mit in ihrem Eigentum stehenden Standplätzen, arbeiten, und ob die Steuerpflichtige eine Wahlmöglichkeit zwischen einer Anmietung und einem Erwerb der Standplätze hat.

Im Streitfall dienen die Standflächen dazu, die mobilen Verkaufsstände der Steuerpflichtigen aufzustellen und in diesen die Speisen zuzubereiten, den Besuchern der Veranstaltung oder des Marktes anzubieten und zu verkaufen. Sie ist danach auf die ständige Verfügbarkeit solcher Standflächen angewiesen, da es ihr sonst nicht möglich wäre, ihre Produkte an die Kunden zu verkaufen.

Der Annahme von Anlagevermögen steht nicht entgegen, dass die Standplätze von der Steuerpflichtigen regelmäßig nur für kurze Zeit angemietet wurden. Denn insoweit stellt sich die wiederholte kurzfristige Anmietung ähnlicher Standflächen als Surrogat einer langfristigen Nutzung solcher Standflächen dar.

Auch gehören die Mietzinsen nicht zu den Herstellungskosten der von der Steuerpflichtigen vertriebenen Produkte und sind deshalb auch aus diesem Grund nicht von der Hinzurechnung ausgeschlossen. Denn das Einbeziehungsverbot des § 255 Abs. 2 Satz 4 HGB betrifft neben den Einzelkosten des Vertriebs auch die Vertriebsgemeinkosten. Daher sind die Mietaufwendungen für die von der Steuerpflichtigen für ihre Verkaufsstände genutzten Standflächen nicht als Teil der Herstellungskosten der von ihr verkauften Waren, also von Umlaufvermögen, zu qualifizieren, weil sie jedenfalls weit überwiegend den unter das Einbeziehungsverbot des § 255 Abs. 2 Satz 4 HGB fallenden Vertriebskosten zuzuordnen und von zweifelhafter Werthaltigkeit sind.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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