12.10.2020

Grunderwerbsteuer - Leistung eines Dritten gem. § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG

Bereits aus dem Umstand, dass die Leistung eines Dritten im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG ihrem "Hauptzweck" nach darauf gerichtet sein muss, dass der Veräußerer dem Erwerber das Grundstück überlässt, folgt, dass der Leistende mit einer Leistung in tatsächlicher Hinsicht mehrere Zwecke verfolgen kann.

Hessisches FG v. 17.6.2020 - 5 K 2191/15
Der Sachverhalt:
Die A-GmbH war Eigentümerin der Gewerbeimmobilie B. Am 8.12.2014 hatten die A-GmbH (als Verkäuferin) und die C-AG (Käuferin 1) sowie die D-GmbH (Käuferin 2) einen "Anteilskauf- und Übertragungsvertrag" abgeschlossen. Die Käufer beabsichtigten, ein Gewerbeimmobilienportfolio, das u.a. das Objekt B umfasste, zu erwerben. Dieser Erwerb sollte im Wege des unmittelbaren Erwerbs von Gesellschaftsanteilen an der F-GmbH (sog. Zielgesellschaft) von der A-GmbH erfolgen. Auf diese Zielgesellschaft sollte die A-GmbH das Eigentum am Objekt B übertragen. Die Gesellschaftsanteile der F-GmbH erwarb die A-GmbH erst mit notariellem Vertrag vom 22.12.2014.

Die A-GmbH sollte der Zielgesellschaft das Grundstückseigentum am Objekt B gegen Dotation der Kapitalrücklage i.H.v. 85 % des festgelegten Immobilienwerts und gegen Gewährung eines Gesellschafterdarlehens i.H.v. 15 % des festgelegten Immobilienwerts übertragen. Dies voausgeschickt vereinbarten die Parteien, dass die A-GmbH an die C-AG 94,9% der noch zu erwerbenden Anteile an der Zielgesellschaft verkauft und abtritt. Die Abtretung der Gesellschaftsanteile sollte aufschiebend bedingt sein durch die Zahlung des Kaufpreises und den Eintritt der sog. Vollzugsbedingungen.

Zu den Vollzugsbedingungen gehörte u.a., dass die Zielgesellschaft im Handelsregister als GmbH eingetragen war. Ferner sollte die A-GmbH als Eigentümerin sämtlicher Gesellschaftsanteile in der beim Handelsregister hinterlegten Gesellschafterliste eingetragen sein. Zu den Vollzugsbedingungen gehörte weiterhin, dass die Zielgesellschaft als Eigentümerin des Objekts B im Grundbuch eingetragen war oder zumindest der Notar bestätige, dass die Eintragung beantragt war und dieser keine Hindernisse entgegenstanden.

Unter den gleichen Bedingungen verkaufte die A-GmbH der D-GmbH 5,1% der Gesellschaftsanteile und trat diese ab. Außerdem verkaufte die A-GmbH der C-AG auch ihren Rückzahlungsanspruch aus dem der Zielgesellschaft noch zu gewährenden Gesellschafterdarlehen. Hinsichtlich des Objekts B einigten sich die Vertragsparteien auf einen sog. "festgelegten Immobilienwert", der dem Verkehrswert entsprechen sollte. Mit einem weiteren notariellen Vertrag vom 22.12.2014 übertrug die A-GmbH der Klägerin, deren sämtliche Gesellschaftsanteile sie mit Vertrag vom gleichen Tage erworben hatte, das Eigentum am Objekt B.

Infolgedessen setzte das Finanzamt Grunderwerbssteuer gegenüber der Klägerin fest. Neben dem Kaufpreis sei ein weiterer Betrag als Gegenleistung zu berücksichtigen, weil es sich dabei um ein Entgelt nach § 9 Abs.2 Nr.4 GrEStG handele, welches dem Veräußerer von einem anderen als dem Erwerber für die Überlassung des Grundstücks gezahlt worden sei. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Allerdings wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az.: II R 19/20 anhängig.

Die Gründe:
Der Grunderwerbsteuerbescheid ist rechtmäßig.

Die Grunderwerbsteuer bemisst sich gem. § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem Wert der Gegenleistung. Darüber hinaus gehört zur Gegenleistung (zumindest) auch ein Betrag, den die C-AG und die D-GmbH an die A-GmbH auf Grund des Anteilskauf- und Übertragungsvertrags vom 8.12.2014 zu erbringen hatten. Gem. § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG gehören zur Gegenleistung auch Leistungen, die ein anderer als der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, dass der Veräußerer dem Erwerber das Grundstück überlässt. Die Leistung des Dritten muss in ihrem Hauptzweck darauf gerichtet sein, dass der Verkäufer das Grundstück dem Erwerber überlässt. Sie muss einen finalen Bezug zur Überlassung des Grundstücks an den Erwerber haben, wobei dieser Bezug aus der Sicht des Leistenden -also hier des Dritten- zu bestimmen ist.

Nach der Überzeugung des Senats war es Hauptzweck sämtlicher Leistungen der C-AG und der D-GmbH an die A-GmbH, diese dazu zu veranlassen, das Eigentum am Objekt B, auf die Klägerin zu übertragen. Dass die A-GmbH einerseits und die C-AG sowie die D-GmbH andererseits im Streitfall -offensichtlich zum Zwecke der Reduzierung der Grunderwerbsteuerbelastung- eine Gestaltung (sog. Share Deal) wählten, bei der Zahlungen für den Erwerb von Gesellschaftsanteilen geleistet wurden, ändert nichts daran, dass deren alleiniger Hauptzweck darin bestand, die A-GmbH zur Übertagung des Grundeigentums zu veranlassen. Zu Recht hat das Finanzamt ausgeführt, es sei kein Grund dafür ersichtlich, dass ein Grundeigentümer sein Eigentum für eine Gegenleistung i.H. eines Bruchteils (hier 15%) des Verkehrswertes auf eine Gesellschaft überträgt, die er bereits zuvor verkauft hat.

Aus dem Charakter der Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrssteuer und dem Grundsatz, dass zivilrechtlich unterschiedliche Rechtsvorgänge auch grunderwerbsteuerlich zu trennen sind, folgt -entgegen der Auffassung der Klägerin- nicht, dass die Zahlung der C-AG und der D-GmbH nicht als Leistung eines Dritten i.S.d. § 9 Abs. 2 Ziff. 4 GrEStG gewertet werden kann. Der Senat verkennt dabei nicht, dass - neben der Übertragung des Grundstücks auf die Klägerin - auch der Erwerb der Gesellschaftsanteile an der Klägerin ein Vorgang ist, der im Hinblick auf § 1 Abs. 3 GrEStG darauf zu prüfen ist, ob er der Grunderwerbsteuer unterliegt. Beide Erwerbsvorgänge bilden abgeschlossene Steuerfälle, die je für sich gesondert darauf zu prüfen sind, ob sie einen grunderwerbsteuerlichen Tatbestand erfüllen.

Dass die Zahlungen der C-AG und der D-GmbH zur Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Anteilskauf- und Übertragungsvertrag geleistet wurden, schließt nach der Überzeugung des Senats nicht aus, sie auch als Leistung eines Dritten an den Veräußerer im Rahmen eines anderen Erwerbsvorgangs zu werten. Bereits aus dem Umstand, dass die Leistung eines Dritten im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG ihrem "Hauptzweck" nach darauf gerichtet sein muss, dass der Veräußerer dem Erwerber das Grundstück überlässt, folgt, dass der Leistende mit einer Leistung in tatsächlicher Hinsicht mehrere Zwecke verfolgen kann. So ist es im Streitfall. Aufgrund der zwischen der A-GmbH einerseits und der C-AG und der D-GmbH andererseits für den Grundstückserwerb gewählten rechtlichen Gestaltung, leisten die Erwerber zwar zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeit aus den Anteilskauf- und Übertragungsvertrag. Der Hauptzweck der Leistung besteht aber in tatsächlicher Hinsicht darin, die A-GmbH zu veranlassen, das Grundstück zu übertragen.
Hessenrecht Landesrechtsprechungsdatenbank
Zurück