20.01.2021

Ist § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG teleologisch einzuschränken?

In § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG wird jetzt ausdrücklich bestimmt, dass für Sondervergütungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG die erweiterte Kürzung nicht mehr in Anspruch genommen werden kann. Da allerdings die Frage der teleologischen Reduktion des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG von allgemeinem Interesse und bislang vom BFH - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden worden ist, wurde die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

FG Köln v. 25.3.2020 - 12 K 1954/18
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft, deren Gegenstand die Vermietung eigener Immobilien ist. Komplementärin ist die A-GmbH. Darüber hinaus sind an der Klägerin insgesamt acht Kommanditisten beteiligt, die ihre Beteiligungen jeweils im Privatvermögen halten. Die Festsetzung der Gewerbesteuer-Messbeträge für 2013 und 2014 erfolgte zunächst erklärungsgemäß mit jeweils 0 €. Der auf den 31.12.2012 festgestellte Gewerbeverlust von 167.895 € wurde in gleicher Höhe auch auf den 31.12.2013 sowie auf den 31.12.2014 festgestellt.

Bei einer Betriebsprüfung im Jahr 2016 für die Jahre 2012 bis 2014 wurden für die Jahre 2013 und 2014 Mehrgewinne von 6.061 € bzw. 6.141 € ermittelt. Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, dass die Kürzungen nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf die Gewinne zu beschränken seien, die sich ohne Tätigkeitsvergütungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ergeben würden. Dies folge aus § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG. Bei Auswertung des BP-Berichts wurde die vorgenannte Kürzung des Jahres 2013 mit 49.911 € und des Jahres 2014 mit 49.191 € angesetzt. Die bisherigen Gewerbesteuer-Messbescheide für 2013 und 2014 wurden nach § 35b GewStG bzw. nach § 164 Abs. 2 AO geändert.

Unter Berücksichtigung des Verlustvortrags auf den 31.12.2012 wurden die Gewerbesteuer-Messbeträge für 2013 und 2014 auf 0 € bzw. 3.206 € festgesetzt. Bei der Veranlagung des Gewerbesteuer-Messbetrages für 2015 verfuhr das Finanzamt entsprechend. Unter Berücksichtigung einer Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG i.H.v. 141.303 € setzte es den Gewerbesteuer-Messbetrag auf 4.865 € fest.

Die Klägerin machte geltend, die Kürzungen nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG seien ohne die Einschränkung nach§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG vorzunehmen. Das FG wies die Klage ab. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az.: IV R 11/20 anhängig.

Die Gründe:
Das Finanzamt hat die streitigen Sondervergütungen sowie die an die A-GmbH in den Streitjahren gezahlte Haftungsvergütung zu Recht von der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags ausgenommen.

Bei der an die Komplementär-GmbH in den Streitjahren gezahlten Haftungsvergütung und die an die Kommanditisten gezahlten Arbeitslöhne bzw. Zinsen handelt es sich um sog. Sonderbetriebseinnahmen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, die mithin für sich genommen unter den Anwendungsbereich des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG fallen. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt im Streitfall keine einschränkende Auslegung des Tatbestandes des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks (teleologische Reduktion) in Betracht mit der Begründung, die Gesellschafter der Klägerin hielten ihre Beteiligungen sämtlich im Privatvermögen. Es handele sich damit um gewerbesteuerbefreite Vergütungsempfänger. Einer teleologischen Reduktion steht nämlich bereits der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen.

Danach ist die erweiterte Kürzung ausgeschlossen, soweit der Gewerbeertrag Vergütungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG enthält. Weitere Einschränkungen lassen sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Zwar zieht der Wortlaut des Gesetzes im Regelfall keine starre Auslegungsgrenze. Und zu den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung gehört insbesondere auch die teleologische Reduktion. Die teleologische Reduktion setzt aber eine verdeckte Regelungslücke voraus. Diese ist gegeben, wenn das Gesetz zwar eine Regelung enthält, diese aber ihrem Zweck nach auf eine bestimmte Gruppe von Fällen nicht passt, weil sie deren für die Wertung relevanten Besonderheiten außer Acht lässt. Dass im Streitfall der Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG zu weit geraten ist und im Hinblick auf Sinn und Zweck der Regelung keine Anwendung finden darf auf Sondervergütungen an Gesellschafter, die ihre Beteiligung im Privatvermögen halten, dafür gibt es nach Auffassung des erkennenden Senats jedoch keine triftigen Gründe.

Hintergrund des Ausschlusstatbestandes des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG war der Umstand, dass zunehmend die Finanzierung von Immobilienpersonengesellschaften nach dem sog. Bankenbeteiligungsmodell erfolgte. Hierbei erwarb die Bank einen Zwerganteil an einer Immobilienpersonengesellschaft und gewährte zugleich hohe Gesellschafterdarlehen. Diese Gestaltung führte dazu, dass die Bank im Ergebnis gewerbesteuerfreie Zinseinkünfte erzielte, weil diese als Sondervergütungen in den Gewinn der Personengesellschaft fließen und daher ebenfalls der erweiterten Kürzung unterlagen. Auf Gesellschafterebene verhinderte wiederum § 9 Nr. 2 GewStG, dass der Gewinnanteil an der Personengesellschaft auf Ebene des Gesellschafters, also der Bank, von der Gewerbesteuer erfasst wurde.

In § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG wird jetzt ausdrücklich bestimmt, dass für Sondervergütungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG die erweiterte Kürzung nicht mehr in Anspruch genommen werden kann. Im Bericht des Finanzausschusses (BT-Drucks. 16/11108, S. 31) heiß es hierzu lediglich, mit der Neuregelung solle insbesondere verhindert werden, dass sich der Vergütungsgläubiger zur Vermeidung einer Gewerbesteuer auf die Vergütung an der Gesellschaft mitunternehmerisch beteiligt. Das kann jedoch nach Auffassung des Senats nicht dazu führen, einen gesetzlichen Überhang anzunehmen, soweit die Vorschrift neben Banken sämtliche Mitunternehmer erfasst, die von einer Immobilienpersonengesellschaft Sondervergütungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG für ihre Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern (mit Ausnahme von Grundbesitz) beziehen.

Die Frage der teleologischen Reduktion des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG ist von allgemeinem Interesse und bislang vom BFH - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden worden. Infolgedessen wurde die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.
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