13.10.2014

Jahresberichte des BFH gehören nicht zu den einschlägigen Fachzeitschriften eines Steuerberaters

Ohne besonderen Anlass ist der Steuerberater nicht verpflichtet, die Jahresberichte des BFH einzusehen, da dieser nicht Teil der amtlichen Sammlung ist und nicht zu den einschlägigen Fachzeitschriften gehört, die ein Steuerberater auszuwerten hat. Der Steuerberater darf allerdings einen im Auftrag des Mandanten eingelegten Einspruch nicht eigenmächtig zurücknehmen.

BGH 25.9.2014, IX ZR 199/13
Der Sachverhalt:
Die beklagte Steuerberatergesellschaft hatte den Kläger steuerlich beraten. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 machte sie für ihn Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend, die dadurch entstanden waren, dass der Kläger seinen Hauptwohnsitz aus privaten Gründen verlegt, seine Wohnung am Ort seiner beruflichen Tätigkeit aber als Zweitwohnung beibehalten hatte. Das Finanzamt lehnte eine Berücksichtigung dieser Kosten ab. Die Beklagte legte weisungsgemäß Einspruch ein. Nachdem das Finanzamt erklärt hatte, an seiner bisherigen Rechtsauffassung festhalten zu wollen, nahm die Beklagte den Einspruch ohne Rücksprache mit dem Kläger zurück.

Der BFH änderte 5.3.2009  seine Rechtsprechung. Eine beruflich begründete doppelte Haushaltsführung sei demnach auch dann anzunehmen, wenn die Hauptwohnung verlegt und die bisherige Wohnung als Zweitwohnung am Beschäftigungsort beibehalten werde (Az.: VI R 23/07). Der Kläger verlangt daraufhin Schadensersatz i.H.d. Betrages, um den sich seine Steuerschuld bei Berücksichtigung des Mehraufwandes reduziert hätte. Das AG verurteilte die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von rund 1.108 €. Berufung und Revision der Beklagten blieben erfolglos.

Gründe:
Zwar konnte der Beklagten nicht vorgeworfen werden, dass sie im Zeitpunkt der Rücknahme des Einspruchs vom Fortbestand der BFH-Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung einer doppelten Haushaltsführung ausgegangen war. Grundsätzlich darf der Steuerberater auf den Fortbestand einer höchstrichterlichen Rechtsprechung vertrauen. Denn von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung pflegt nur in Ausnahmefällen abgewichen zu werden. Maßgeblich ist die jeweils aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung im Zeitpunkt der Beratung. Über deren Entwicklung muss sich der Berater anhand der amtlichen Sammlungen und der einschlägigen Fachzeitschriften unterrichten.

Eine Änderung der Rechtsprechung hat der Berater allerdings dann in Betracht zu ziehen, wenn ein oberstes Gericht sie in Aussicht stellt oder neue Entwicklungen in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft Auswirkungen auf eine ältere Rechtsprechung haben können und es zu einer bestimmten Frage an neueren höchstrichterlichen Erkenntnissen fehlt. Eine Verpflichtung des Beraters, die Rechtsprechung der Instanzgerichte und das Schrifttum einschließlich der Aufsatzliteratur heranzuziehen, kann ausnahmsweise auch dann bestehen, wenn ein Rechtsgebiet aufgrund eindeutiger Umstände in der Entwicklung begriffen und neue höchstrichterliche Rechtsprechung zu erwarten ist. Der Steuerberater ist dabei aber ohne besonderen Anlass nicht verpflichtet, die Jahresberichte des BFH einzusehen. Dieser ist nicht Teil der amtlichen Sammlung und gehört nicht zu den einschlägigen Fachzeitschriften, welche ein Steuerberater auszuwerten hat.

Allerdings hat die Beklagte gegen ihre Pflichten aus dem Beratungsvertrag verstoßen, indem sie den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid eigenmächtig, ohne Rücksprache mit dem Kläger, zurückgenommen hatte. Nach § 675 Abs. 1, § 665 BGB ist der rechtliche Berater - der Steuerberater ebenso wie der Rechtsanwalt - zwar berechtigt, von den Weisungen des Auftraggebers abzuweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf, dass der Auftraggeber bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde. Vor der Abweichung hat er jedoch dem Auftraggeber Anzeige zu machen und dessen Entschließung abzuwarten, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist. Der Berater darf, auch wenn er über ein höheres Maß an Sachkunde und Erfahrung in schwierigen Rechts- und Sachlagen verfügt, nicht seine Entscheidung an die Stelle derjeniger seines Mandanten setzen. Weicht der Berater von einer Weisung des Mandanten ab, liegt darin eine Pflichtverletzung, die ihn - wie hier - zum Schadensersatz verpflichten kann.

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