15.06.2018

Kann es sich bei einem grenzüberschreitenden Reihengeschäft um eine innergemeinschaftliche (steuerfreie) Lieferung handeln?

Lieferungen, die bei einem Reihengeschäft der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt. Das physische Verbringen der Gegenstände von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat ist für die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6a Abs. 1 S. 1 UStG eine unverzichtbare Voraussetzung.

FG Düsseldorf 4.5.2018, 1 K 2413/16 U
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt ein Einzelunternehmen. Gegenstand des Unternehmens ist Aufzählung technischer Anwendungen/Techniken - Vertrieb- und Service; Aufzählung technischer Arbeiten. Im September 2012 war die Klägerin von der in Großbritannien ansässigen B-Ltd. mit der Lieferung von Ersatzteilen für eine Maschine beauftragt worden. Die B-Ltd. war zuvor von der Firma C-Inc. aus den USA mit der Lieferung beauftragt worden. Deren Bestellung erfolgte wiederum für die Firma D-S.A. aus Peru. Die Lieferung der Ware sollte unmittelbar von Deutschland nach Peru erfolgen.

Später stritt die Klägerin mit dem Finanzamt darüber, ob die Lieferung der Ersatz-/ Maschinenteile im Rahmen des grenzüberschreitenden Reihengeschäftes (drei Lieferungen, vier Beteiligte) von der Klägerin zu Recht als umsatzsteuerfrei behandelt worden war. Die Klägerin war der Ansicht, dass der Versand der Ware einzig und allein von ihr ausgelöst wurde sei. Die Bezahlung der Speditionsfirma sei dabei unerheblich. Die erste Lieferung sei von ihr in ihrer Eigenschaft als Lieferer ausgeführt worden. Es handle sich daher um eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. In Großbritannien sei ein innergemeinschaftlicher Erwerb zu versteuern.

Das FG wies die gegen den Umsatzsteuerbescheid 2012 gerichtete Klage ab. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Die Lieferung der Maschinenteile durch die Klägerin an B-Ltd. ist gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG im Inland steuerbar. Der Umsatz ist mit dem Regelsteuersatz (§ 12 Abs. 1 UStG) der Umsatzsteuer zu unterwerfen.

Gem. § 3 Abs. 6 S. 1 UStG gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt, wenn der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet wird. Bei einem Reihengeschäft ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Lieferungen, die bei einem Reihengeschäft der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt. Lieferungen, die bei einem Reihengeschäft der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet.

Da die Klägerin die erste Unternehmerin in einem Reihengeschäft ist, handelt es sich bei der Lieferung der Klägerin an die Firma B-Ltd. entweder um die Versendungslieferung (sog. "bewegte Lieferung") - vgl. § 3 Abs. 6 S. 1 UStG i.V.m. § 3 Abs. 6 S. 5 UStG - oder um eine sog. ruhende Lieferung nach § 3 Abs. 7 S. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. § 3 Abs. 6 S. 5 UStG, die der Versendungslieferung vorangeht. Für die Bestimmung des Ortes der Lieferung ist insoweit eine Entscheidung entbehrlich. In beiden Fällen gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Versendung des Gegenstands (Maschinenteile) beginnt, also in Deutschland.

Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbare Umsatz ist umsatzsteuerpflichtig. Eine Steuerfreiheit als innergemeinschaftliche Lieferung nach § 4 Nr. 1b i.V.m. § 6a UStG kam hier nicht in Betracht. Eine solche Lieferung nach § 6a Abs. 1 S. 1 UStG liegt nur dann vor, wenn der Unternehmer oder der Abnehmer den Liefergegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet, der Abnehmer Unternehmer ist und den Gegenstand für sein Unternehmen erworben hat und der Erwerb des Liefergegenstandes beim Abnehmer in dem anderen Mitgliedstaat der Umsatzbesteuerung unterliegt. Das physische Verbringen der Gegenstände von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat ist für die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6a Abs. 1 S. 1 UStG eine unverzichtbare Voraussetzung. Diese Voraussetzungen lagen hier jedoch nicht vor. Zwar hatte der Abnehmer B-Ltd. die Maschinenteile unter Angabe der UStIdNr: GB erworben, jedoch war der Liefergegenstand nicht in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet worden, sondern nach Peru.

Das Finanzamt hat auch zu Recht eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 1a UStG i.V.m. § 6 UStG (Ausfuhrlieferung) versagt. Die Steuerbefreiungsvorschrift § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG (Art. 146 Abs. 1a MwStSystRL) war vorliegend nicht anwendbar, weil die Maschinenteile nicht auf Veranlassung der Klägerin als leistende Unternehmerin befördert oder versendet wurden. Auch die Steuerbefreiungsvorschrift des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG i.V.m. § 4 Nr. 1a UStG (Art. 146 Abs. 1b MwStSystRL), die für eine Ausfuhrlieferung voraussetzt, dass der ausländische Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet (ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3 UStG) befördert oder versendet hat, griff im Streitfall nicht ein.

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