02.01.2012

Keine Anwendung der 1-Prozent-Regelung bei Überlassung des Dienstwagens lediglich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte

Die Anwendung der 1-Prozent-Regelung setzt voraus, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich gestattet, den Dienstwagen privat zu nutzen. Allein die Gestattung der Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte begründet noch keine Überlassung zur privaten Nutzung i.S.d. § 8 Abs. 2 S. 2 EStG.

BFH 6.10.2011, VI R 56/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist in einem Autohaus als Verkäufer beschäftigt. Für Probe- und Vorführfahrten standen ihm Firmenwagen zur Verfügung. Darüber hinaus durfte er diese Wagen auch für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzen. Ein Fahrtenbuch führte der Kläger, dem als private Fahrzeuge ein Pkw und ein Motorrad zur Verfügung standen, nicht. Das Autohaus führte insoweit eine Lohnversteuerung auf Grundlage des § 8 Abs. 2 S. 3 EStG durch.

Das Finanzamt ging von einer privaten Nutzung(smöglichkeit) der Vorführwagen durch den Kläger aus und setzte bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers zusätzliche geldwerte Vorteile an. Dabei wendete es die 1-Prozent-Regelung an.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Soweit das FG die Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um einen geldwerten Vorteil für die private Nutzung betrieblicher Fahrzeuge erhöht hat, tragen die hierzu getroffenen Feststellungen die angefochtene Entscheidung nicht. Denn das FG hat die Reichweite des Erfahrungssatzes verkannt, der für eine Privatnutzung des Dienstwagens streitet.

Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, führt dies nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zu einem steuerbaren Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers der als Arbeitslohn zu erfassen ist. Der Vorteil ist entweder anhand des Fahrtenbuchs oder, wenn ein Fahrtenbuch nicht geführt wird, nach der 1-Prozent-Regelung zu bewerten.

Allerdings stellt allein die Nutzung eines Fahrzeugs für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte keine private Nutzung dar, denn der Gesetzgeber hat diese Fahrten in § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG und § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG der Erwerbssphäre zugeordnet und den multikausalen und den multifinalen Wirkungszusammenhängen, die nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auch für diesen Lebenssachverhalt im Schnittbereich zwischen beruflicher und privater Sphäre kennzeichnend sind, einfachgesetzlich durch einen beschränkten Werbungskostenabzug Rechnung getragen.

Das FG wird im zweiten Rechtsgang insbes. zu prüfen haben, ob das Privatnutzungsverbot vorliegend nur zum Schein ausgesprochen worden ist und dem Kläger ein Vorführwagen entgegen der arbeitsvertraglichen Regelung etwa auf Grundlage einer konkludent getroffenen Nutzungsvereinbarung tatsächlich zur privaten Nutzung überlassen war. Erst wenn dies vom FG mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt ist, kommt der Anscheinsbeweis zum Tragen, dass zur privaten Nutzung überlassene Kraftfahrzeuge auch tatsächlich privat genutzt werden.

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BFH PM Nr. 105 vom 28.12.2011
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