25.05.2023

Keine Auflösung der für die Altgesellschafter anlässlich des Eintritts eines Neugesellschafters gebildeten negativen Ergänzungsbilanzen bei nachfolgendem entgeltlichen Ausscheiden des neu Eingetretenen

Die negativen Ergänzungsbilanzen, die anlässlich des Eintritts eines neuen Gesellschafters in eine bestehende Personengesellschaft für die Altgesellschafter nach § 24 UmwStG zum Zweck der Buchwertfortführung gebildet worden sind, sind nicht aufzulösen, wenn der neu eingetretene Gesellschafter nachfolgend gegen Geldabfindung unter dann gebotener Auflösung der für ihn gebildeten positiven Ergänzungsbilanz aus der Personengesellschaft ausscheidet.

Kurzbesprechung
BFH v. 23. 3. 2023 - IV R 27/19

GewStG § 7 S 1, § 7 S 2 Nr. 2, § 35b Abs 2 S 2
UmwStG § 24 Abs 1, § 24 Abs 2
EStG § 16 Abs 1 S 1 Nr. 2, EStG § 16 Abs 2


Nach § 7 Satz 1 GewStG ist Ausgangspunkt für die Ermittlung des Gewerbeertrags der nach den Vorschriften des EStG oder des KStG zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum (§ 14 GewStG) entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist. Danach umfasst der Gewerbeertrag einer Mitunternehmerschaft die Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft, also auch die Ergebnisse aus Sonder- und Ergänzungsbilanzen.

Wird ein neuer Gesellschafter in eine bestehende Personengesellschaft aufgenommen und leistet dieser Gesellschafter für die Übernahme der Gesellschafterstellung eine Zahlung in das Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft (Bareinlage), dann bringen steuerrechtlich die bisherigen Gesellschafter (Altgesellschafter) ihre Mitunternehmeranteile an der bisherigen Personengesellschaft nach § 24 UmwStG in eine um den eintretenden Gesellschafter erweiterte neue Mitunternehmerschaft ein. § 24 Abs. 1 UmwStG setzt voraus, dass die Altgesellschafter Mitunternehmer der neuen erweiterten Mitunternehmerschaft werden.

Die Einräumung einer Mitunternehmerstellung zeigt sich dadurch, dass der Wert des eingebrachten Betriebsvermögens dem Kapitalkonto des Gesellschafters gutgeschrieben wird, welches nach dem Gesellschaftsvertrag die Mitunternehmerstellung (Gesellschaftsrechte) repräsentiert. Im Fall des Mehrkontenmodells (wie im Streitfall) wird dieses Konto üblicherweise als Kapitalkonto I oder als Festkapitalkonto bezeichnet.

Für die Anwendung des § 24 Abs. 1 UmwStG reicht es nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH aus, wenn bei erstmaliger Einräumung der Mitunternehmerstellung der Wert des eingebrachten Betriebsvermögens neben dem Kapitalkonto I (Festkapitalkonto) auch dem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto gutgeschrieben wird.

Der BFH hält an dieser Beurteilung ‑ auch aus Gründen der Rechtsprechungskontinuität ‑ fest. § 24 UmwStG setzt weder ausschließlich die Gewährung von Gesellschaftsrechten noch die Gewährung einer Mindestbeteiligung voraus. Bei anteiliger Gutschrift des Werts des eingebrachten Betriebsvermögens auf dem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto ist der Vorgang jedenfalls dann insgesamt als ein tauschähnliches (entgeltliches) Geschäft gemäß § 24 UmwStG zu beurteilen, wenn die Einbringung insgesamt für Rechnung des Einbringenden erfolgt, d.h. es zu keinen Vermögensverschiebungen zwischen den Gesellschaftern kommt. In diesem Fall ist der auf dem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto verbuchte Wertanteil des eingebrachten Wirtschaftsguts Bestandteil der vom Einbringenden im Austausch gegen die Einräumung der Mitunternehmerstellung geschuldeten Leistung und damit Teil des tauschähnlichen Geschäfts.

Auch wenn die Gutschrift auf diesem Rücklagenkonto dem Einbringenden ‑ anders als eine Gutschrift auf dem Festkapitalkonto ‑ keine direkte Vermögensposition zuweist, gewährleistet sie doch, dass der Einbringende eine Mitunternehmerstellung in Höhe des Werts seines eingebrachten Wirtschaftsguts erhält. Denn der Einbringende partizipiert an dem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto anteilig in Höhe seiner Beteiligungsquote, die sich wiederum nach dem Festkapitalkonto richtet. In einem solchen Fall ist die anteilige Gutschrift auf dem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto ein Teil der dem Einbringenden für seine Sacheinlage gewährten "tauschähnlichen Gegenleistung" und nicht nur eine reflexartige Wertsteigerung seiner Beteiligung.

Im Streitfall war § 24 UmwStG im Jahr des Beitritts der M-GmbH als neue Gesellschafterin der KG anzuwenden. Die KG durfte das eingebrachte Betriebsvermögen mit seinem Buchwert ansetzen (§ 24 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Sie war aber anlässlich des entgeltlichen Ausscheidens der M-GmbH nicht verpflichtet, die für die Altgesellschafter geführten negativen Ergänzungsbilanzen aufzulösen.

Zu Recht war zwar die positive Ergänzungsbilanz der M-GmbH aufgelöst und dadurch der nach § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG bei der KG zu erfassende gewerbesteuerpflichtige Gewinn aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils der M-GmbH (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) reduziert worden. Denn die M-GmbH war gegen Zahlung einer Geldabfindung aus der KG ausgeschieden. Dieser Vorgang ist als eine Veräußerung des Mitunternehmeranteils durch die ausscheidende M-GmbH zu werten.

Im Falle des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 16 Abs. 2 EStG auch das Mehr- oder Minderkapital aus einer Ergänzungsbilanz des Veräußerers zu berücksichtigen. Denn dieses bildet zusammen mit dem Kapitalanteil in der Gesamthandsbilanz den Buchwert des Mitunternehmeranteils. Danach ist das im Ausscheidenszeitpunkt der M-GmbH noch in ihrer positiven Ergänzungsbilanz vorhandene Mehrkapital (als Teil des Buchwerts des Mitunternehmeranteils) zu Recht vom Veräußerungspreis (Abfindungsbetrag) abgezogen worden.

Im Streitfall bestand aber keine Rechtsgrundlage dafür, die anlässlich des Beitritts der M-GmbH für die Altgesellschafter im Jahr 2005 zu Recht gebildeten negativen Ergänzungsbilanzen korrespondierend zur gebotenen Auflösung der positiven Ergänzungsbilanz der M-GmbH ebenfalls aufzulösen. Insbesondere ergibt sich eine solche Rechtsgrundlage nicht aus § 24 UmwStG. Denn allein die M-GmbH hatte ihren Mitunternehmeranteil veräußert. Bei den Altgesellschaftern lag jedoch kein Veräußerungs- oder Aufgabetatbestand vor. Der Umstand, dass sich die Ergänzungsbilanzen bei Anwendung der sog. Nettomethode aufgrund der Abschreibungsgrundsätze nach § 7 EStG zunächst der Höhe nach mit umgekehrten Vorzeichen gleich entwickeln, spiegelt lediglich eine rechnerische und keine inhaltliche Korrespondenz wider.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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