15.11.2019

Keine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass bei Veräußerung einer Arztpraxis trotz fehlender Approbation

Der Erbe einer Arztpraxis, die er veräußerte, hat auch dann mit seinem gesamten Vermögen für Steuerschulden aus der Veräußerung zu haften, wenn er mangels Approbation die Praxis nicht fortführen darf, weil es sich um eine Eigenschuld handelt, auf die die Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass keine Anwendung findet.

FG Münster v. 24.9.2019 - 12 K 2262/16
Der Sachverhalt:
Der Kläger erbte eine Pathologie, die er nach den berufsrechtlichen Vorschriften mangels eigener Approbation weder selbst noch durch Einsatz angestellter Ärzte fortführen durfte. Daher veräußerte er die Praxis und erzielte hieraus einen einkommenssteuerpflichtigen Gewinn.

Über den Nachlass ordnete das AG ein Nachlassinsolvenzverfahren an. Das Finanzamt ließ die auf die Veräußerung angefallene Einkommenssteuer schließlich bei dem Kläger zwangsvollstrecken. Hiergegen richtet sich die Klage.

Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BFH ist jedoch wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Die Gründe:
Der Kläger haftet für die durch die Veräußerung der Praxis entstandene Einkommenssteuer mit seinem gesamten Vermögen als Eigenschuldner.

Die zivilrechtliche Haftung des Erben ist gem. § 1967 BGB dadurch gekennzeichnet, dass der Erbe zunächst unbeschränkt, aber beschränkbar haftet. Eine solche Beschränkung tritt nach § 1975 BGB durch die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung der Nachlassinsolvenz ein. Von diesen Nachlassverbindlichkeiten sind die Eigenschulden des Erben zu unterscheiden, für die der Erbe mit seinem Gesamten Vermögen haftet. Während Eigenschulden durch ein eigenes Verhalten des Erben verursacht werden, liegen Nachlassverbindlichkeiten nur dann vor, wenn die Verbindlichkeiten abschließend und allein durch den Erblasser angelegt waren.

Nach diesen Maßstäben liegt eine Eigenschuld des Klägers vor, auf die die Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass keine Anwendung findet. Die rechtsgeschäftliche Veräußerung der Pathologie stellt zweifelsohne ein eigenes Verhalten des Klägers dar. Der Annahme einer Eigenschuld steht nicht entgegen, dass dem Kläger keine Handlungsoption bliebe. Vielmehr war der Kläger nicht zu der Veräußerung der Praxis gezwungen. Mit der Möglichkeit einer Betriebsaufgabe, einer Betriebsveräußerung oder allmählichen Betriebsabwicklung standen dem Kläger verschiedene Handlungsoptionen zur Verfügung. Dabei ist unerheblich, dass alle Möglichkeiten eine Einkommenssteuerschuld ausgelöst hätten, da die steuerlichen Folgen jeweils unterschiedlich gewesen wären.

Der Fall unterscheidet sich maßgeblich von einem vom Kläger hervorgebrachten Fall des BFH. In diesem vereinbarte der Erblasser den Verkauft eine Nachlassgegenstands schon vor seinem Ableben. Der Erbe musste sich lediglich um die Vertragsabwicklung kümmern, wobei sowohl ihm als auch dem Nachlassverwalter kein Handlungsspielraum zustand. Da es hier ausschließlich dem Zufall überlassen war, ob die Abwicklung des Vertrages noch der Erblasser oder schon der Erbe zuteil kam, lehnte der BFH eine Eigenschuld ab. Hier steht es dem Kläger jedoch frei, die Praxis überhaupt zu veräußern, die Entstehung der Eigenschuld hing mithin nicht ausschließlich vom Zufall ab.

Denn der BFH hat bisher nur über eine Erbfallschuld befunden nicht aber über Eigenschulden des Erben. Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung jedenfalls nicht geklärt, ob unter Beachtung berufsrechtlicher Vorgaben, die mangels persönlicher Fortführungsmöglichkeit zu einer Veräußerung, Abwicklung oder Aufgabe eines ererbten ehemals freiberuflichen Betriebes zwingen, die durch eine Betriebsveräußerung, -aufgabe oder -abwicklung zur Entstehung gelangende Steuerschuld der Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass unterfällt.

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