11.02.2021

Keine Hinzurechnung von Schuldzinsen aus Erwerb einer mitunternehmerischen Beteiligung an Finanzdienstleistungsinstitut

Schuldzinsen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb einer mitunternehmerischen Beteiligung an einem Finanzdienstleistungsinstitut, das ausschließlich staatlich nach dem KWG beaufsichtigte Finanzdienstleistungen erbringt, vom Mitunternehmer geleistet werden, sind nach § 19 Abs. 4 GewStDV von der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG ausgenommen.

Kurzbesprechung
BFH v. 16.7.2020 - IV R 30/18

GewStG § 6, § 7 S. 1, § 8 Nr. 1 Buchst. a, § 8 Nr. 1 Buchst. c, § 35b Abs. 2 S. 2, § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst f, § 36 Abs. 10
GewStDV § 19 Abs. 3 Nr. 4, § 19 Abs. 4, § 36 Abs. 3 S.2
EStG § 4 Abs. 4, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2


Die Steuerpflichtige, eine GmbH, war in den Jahren 2009 bis 2013 alleinige Kommanditistin der M-GmbH & Co. KG (M-KG). Durch Ausscheiden der bisherigen Komplementärin der M-KG, der M-GmbH, mit Wirkung zum 02.04.2013 wurde die Steuerpflichtige im Wege der Anwachsung Rechtsnachfolgerin der M-KG.

Die M-KG führte in den Jahren 2009 bis 2013 ausschließlich Finanzierungsleasing und damit Finanzdienstleistungen i.S. von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 10 des Kreditwesengesetzes (KWG) durch. Sie hatte eine aus mehreren Grundstücken bestehende Immobilie an einen Vertragspartner verleast.

In den Jahren 2009 bis 2013 bestand eine stille Beteiligung der L-GmbH & Co. KG (L-KG) an der M-KG. Die L-KG hatte ihre Einlage zum Teil fremdfinanziert. Die Darlehensverbindlichkeit der L-KG lautete ursprünglich auf 25.100.000 € und erhöhte sich jährlich um die geschuldeten Zinsen (Zinssatz 5,2 %). Die Zinsaufwendungen der L-KG machte die M-KG im Rahmen der von ihr abgegebenen Gewinnfeststellungserklärungen als Sonderbetriebsausgaben der L-KG geltend.

Für die Streitjahre (2009 bis 2011 und 2013) gab die M-KG Gewerbesteuererklärungen ab, in denen sie darauf hinwies, dass es sich bei ihr um ein Finanzdienstleistungsinstitut nach § 1 Abs. 1a KWG handele, das ausschließlich Finanzierungsleasing betreibe. Weil sie deshalb das Gewerbesteuer-Privileg nach § 19 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4 bzw. Abs. 4 der GewStDV in Anspruch nehmen könne, unterbleibe eine Hinzurechnung der Schuldentgelte nach § 8 Nr. 1 Buchst. a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in der in den Streitjahren geltenden Fassung.

Der BFH verwies den Streitfall an das FG zurück, da er nicht feststellen konnte, ob das FG zu Recht davon ausgegangen ist, dass die streitbefangenen Schuldentgelte nach Maßgabe des § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG dem Gewinn der M-KG aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen sind.

Im Streitfall ergeben sich unterschiedliche gewerbesteuerrechtliche Folgen, je nachdem, ob die Beteiligung der L-KG an der M-KG als typisch stille Beteiligung zu behandeln ist  oder ob die L-KG mitunternehmerisch an der M-KG beteiligt war (atypisch stille Gesellschaft). Es sind deshalb Feststellungen dazu erforderlich, ob die Beteiligung der L-KG an der M-KG im Streitzeitraum die Voraussetzungen einer Mitunternehmerschaft erfüllt, insbesondere, ob Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative vorliegen.

Bei Vorliegen einer typisch stillen Beteiligung der L-KG an der M-KG hätte das FG die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. In diesem Fall könnte sich die Frage nach einer Hinzurechnung der von der L-KG geleisteten Schuldzinsen nicht stellen. Denn diese Zinsen hätten den Gewerbeertrag der M-KG nicht gemindert, weil sie keine Sonderbetriebsausgaben wären. Hätte im Streitfall eine typisch stille Beteiligung der L-KG an der M-KG vorgelegen, so hätte dies gewerbesteuerlich entlastende wie auch belastende Wirkungen. Entlastend wirkte sich aus, dass eine Hinzurechnung von Entgelten für Schulden beim Gewinn aus Gewerbebetrieb der M-KG nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG mangels Zuordnung der zugrundeliegenden Schulden zum Betriebsvermögen der M-KG nicht auf (Sonder-)Betriebsausgaben der L-KG gestützt werden könnte. Die bisher vorgenommene Hinzurechnung von einem Viertel der Schuldentgelte der L-KG, die nach Maßgabe des § 8 Nr. 1 GewStG den Betrag von 100.000 € übersteigen, wäre aufzuheben.

Die fehlende Zuordnung der Schulden der L-KG zu einem (Sonder-)Betriebsvermögen bei der M-KG hätte jedoch zugleich die gewerbesteuerlich belastende und die entlastenden Wirkungen übersteigende Folge, dass der gesamte, bisher berücksichtigte Betriebsausgabenabzug der von der L-KG gezahlten Schuldentgelte bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der M-KG nach § 7 GewStG, § 4 Abs. 4 EStG ausgeschlossen wäre. Eine zusätzliche Belastung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der M-KG bestünde in der nach § 8 Nr. 1 Buchst. c GewStG noch vorzunehmenden Hinzurechnung von einem Viertel des --bei der Ermittlung des Gewinns zunächst vollständig abzuziehenden-- Gewinnanteils der L-KG als stiller Gesellschafterin, der nach Maßgabe des § 8 Nr. 1 GewStG den Betrag von 100.000 € überschreitet.

Die Klage hätte hingegen Erfolg, wenn eine atypisch stille Gesellschaft zwischen der L-KG und der M-KG bestand. Das von der L-KG zur Finanzierung ihrer Beteiligung aufgenommene Darlehen wäre Sonderbetriebsvermögen der L-KG bei der atypisch stillen Gesellschaft und die darauf geleisteten Zinsen wären Sonderbetriebsausgaben der L-KG. Die Zinsen wären nicht nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG hinzuzurechnen, weil sie unter das Privileg des § 19 Abs. 4 GewStDV fielen.

Bestand eine atypisch stille Gesellschaft, mindern die von der L-KG geleisteten Zinsen für das Darlehen zur Finanzierung ihrer Beteiligung den Gewerbeertrag des Betriebs der atypisch stillen Gesellschaft. Darlehen zur Finanzierung der Beteiligung des Mitunternehmers an der Mitunternehmerschaft sind nach ständiger Rechtsprechung passives Sonderbetriebsvermögen II des Mitunternehmers bei der Mitunternehmerschaft. Die dafür geleisteten Schuldzinsen sind Sonderbetriebsausgaben dieses Mitunternehmers. Weil die Sonderbetriebsergebnisse der Mitunternehmer einschließlich des Sonderbetriebsvermögens II Bestandteil des Gewerbeertrags i.S. des § 7 Satz 1 GewStG einer Mitunternehmerschaft sind, mindern diesbezügliche Sonderbetriebsausgaben den Gewerbeertrag der Mitunternehmerschaft.

Handelte es sich bei der Beteiligung der L-KG an der M-KG um eine atypisch stille Beteiligung, wäre das Darlehen zur Finanzierung dieser Beteiligung passives Sonderbetriebsvermögen II der L-KG bei der atypisch stillen Gesellschaft. Die Zinsen wären als Sonderbetriebsausgaben der L-KG zu behandeln und würden den Gewerbeertrag des Betriebs der atypisch stillen Gesellschaft mindern.

Die Zinsen wären dem Gewerbeertrag nicht nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG hinzuzurechnen. Denn sie erfüllen die Voraussetzungen der Privilegierung durch § 19 Abs. 4 Satz 1 GewStDV. Dem Wortlaut des § 19 Abs. 4 Satz 1 GewStDV ist nicht zu entnehmen, dass nur Schuldentgelte privilegiert sein sollen, die einer konkreten Finanzdienstleistung zugeordnet werden können. Schuldentgelte entfallen auch dann unmittelbar auf Finanzdienstleistungen, wenn ein notwendiger Veranlassungszusammenhang zwischen Schuldzins und privilegierter Finanzdienstleistung besteht. Nach Auffassung des BFH ist jedoch ein weiter gehendes Verständnis des erforderlichen Zusammenhangs geboten. Gegen eine streng kausale "Unmittelbarkeit" zwischen dem "Entfallen" des Schuldentgelts und der privilegierten Finanzdienstleistung des Finanzdienstleistungsinstituts in dem Sinne, dass der Schuldzins direkt und ohne jeglichen Zwischenschritt für die Finanzierung der Finanzdienstleistung aufgewendet wird, spricht schon, dass das Finanzdienstleistungsinstitut dem Darlehensgläubiger einen Schuldzins für das Kapital bezahlt, das ihm überlassen wird und nicht für die Finanzdienstleistungen, die es erbringt. Deshalb ist die Ausnahme von der Hinzurechnung auch auf indirekt zuordenbare Aufwendungen zu erstrecken, wenn diese den privilegierten Finanzdienstleistungen nach einem sachgerechten Verteilungsschlüssel zugeordnet werden können.

Zudem kann sich die Zuordnung von Schuldzins zur privilegierten Finanzdienstleistung auch aus dem Verwendungszweck des gewährten Darlehens ergeben, wenn das mit dem Schuldzins bezahlte Kapital ausschließlich dafür eingesetzt werden soll, dass das Finanzdienstleistungsinstitut damit seine --nach dem KWG staatlich beaufsichtigten-- Finanzdienstleistungen finanziert und nicht andere Tätigkeiten des Finanzdienstleistungsinstituts.

Für eine Differenzierung der von der Hinzurechnung ausgenommenen Schuldentgelte nach ihrer Zugehörigkeit zum passiven Gesamthandsvermögen oder dem passiven Sonderbetriebsvermögen II bestehen in Gesetzeswortlaut, Systematik und den Gesetzgebungsmaterialien keine Anhaltspunkte. Die Regelung in § 19 Abs. 4 Satz 1 GewStDV nimmt Finanzdienstleistungsinstitute von der Hinzurechnung von Schuldentgelten aus, die unmittelbar auf den privilegierten Zweck entfallen, also die Erbringung von Finanzdienstleistungen, die der Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nach dem KWG unterliegen. Die Ausnahmeregelung differenziert nicht nach der Rechtsform des gewerblichen Unternehmens.

Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Ausnahmeregelung dann nicht greifen soll, wenn die Schuldentgelte das Betriebsvermögen über die Zurechnung als Sonderbetriebsvermögen belasten, anstatt dem Gesamthandsvermögen des gewerblichen Unternehmens zugeordnet zu sein. Die additive, zweistufige Gewinnermittlung bei der Mitunternehmerschaft nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG ist auch Grundlage der Ermittlung des Gewerbeertrags für einen Gewerbebetrieb (§§ 6, 7 Satz 1 GewStG). Auch wenn eine --ggf. im Streitfall vorliegende-- atypisch stille Gesellschaft über kein (eigenes) Gesamthandsvermögen verfügt, sondern der Betrieb des Inhabers des Handelsgewerbes (Prinzipal) als Betrieb der atypisch stillen Gesellschaft gilt, so ist der steuerliche Gesamtgewinn der atypisch stillen Gesellschaft doch um (Ergänzungsbilanzen und) Sonderbilanzen zu erweitern. Diese technische Besonderheit der Ertragsermittlung bei einer Mitunternehmerschaft rechtfertigt jedoch keine Steuerverschärfung gegenüber Einzelunternehmen (oder Kapitalgesellschaften) bei der Frage nach der Hinzurechnung von Schuldentgelten.
Verlag Dr. Otto Schmidt
Zurück