04.08.2020

Keine Steuerermäßigungen nach § 35a EStG bei Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen

Die gem. § 32d Abs. 3 und 4 EStG veranlagte und dem gesonderten Tarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegende Einkommensteuer kann nicht nach § 35a EStG ermäßigt werden. Infolgedessen kommt keine Steuerermäßigung in Betracht, wenn die tarifliche Einkommensteuer 0 € beträgt. Sie kann deshalb auch nicht als negative Rechengröße in die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer eingehen.

BFH v. 28.4.2020 - VI R 54/17
Der Sachverhalt:
Die Klägerin erzielte im Streitjahr (2014) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte. Die Summe der Einkünfte sowie das zu versteuernde Einkommen waren negativ. Daneben erzielte sie (positive) Einkünfte aus Kapitalvermögen. Ein Teil dieser Einkünfte unterlag dem Kapitalertragsteuerabzug gem. § 43 EStG. Im Übrigen sind sie gem. § 32d Abs. 3 EStG in die Einkommensteuerfestsetzung der Klägerin mit dem gesonderten Steuertarif gem. § 32d Abs. 1 EStG eingegangen.

In ihrer Steuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin zudem Aufwendungen für sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen im Privathaushalt i.H.v. 25.379 €, für haushaltsnahe Dienstleistungen i.H.v. 424 € und für Handwerkerleistungen i.H.v. 6.482 € geltend. Zudem beantragte sie die Günstigerprüfung für sämtliche Kapitalerträge sowie eine Überprüfung des Steuereinbehalts für bestimmte Kapitalerträge.

Das Finanzamt veranlagte die Klägerin ohne Berücksichtigung von Steuerermäßigungen gem. § 35a EStG zur Einkommensteuer. Die Günstigerprüfung habe ergeben, dass die Besteuerung nach dem allgemeinen Tarif nicht günstiger sei. Die hiergegen gerichtete Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Gründe:
Die Einkommensteuerlast der Klägerin ist nicht gemäß § 35a EStG zu mindern.

Die gem. § 32d Abs. 3 und 4 EStG "veranlagte" und dem gesonderten Tarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 32d Abs. 1 EStG unterliegende Einkommensteuer ist nicht (Bestand-)Teil der tariflichen Einkommensteuer. Vielmehr ist diese um die Einkommensteuer auf Kapitalerträge gem. § 32d EStG zu erhöhen (§ 32d Abs. 3 Satz 2 EStG). Dem entspricht die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer in § 2 Abs. 6 EStG. Danach ist die tarifliche Einkommensteuer u.a. um Steuerermäßigungen zu vermindern und um die Steuer nach § 32d Abs. 3 und 4 EStG zu vermehren. Daraus wird deutlich, dass die auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen entfallende, gesondert zu ermittelnde Steuer nicht der tariflichen Einkommensteuer zugehört, sondern lediglich eine Maßgröße für die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer ist.

In die Besteuerung nach dem allgemeinen Tarif und damit in die tarifliche Einkommensteuer gehen Einkünfte aus Kapitalvermögen nur im Rahmen der sog. Günstigerprüfung ein (§ 32d Abs. 6 EStG). Außerdem ist in § 2 Abs. 6 Satz 1 EStG die Reihenfolge der erforderlichen Rechenschritte, um von der tariflichen Einkommensteuer zu der festzusetzenden Einkommensteuer zu gelangen, festgeschrieben. Danach ist die tarifliche Einkommensteuer zunächst u.a. um Steuerermäßigungen zu vermindern und erst dann um die Steuer nach § 32d Abs. 3 und 4 EStG zu erhöhen.

Infolgedessen kommt keine Steuerermäßigung in Betracht, wenn die tarifliche Einkommensteuer 0 € beträgt. Sie kann deshalb auch nicht als negative Rechengröße in die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer eingehen. Dies gilt auch dann, wenn sich - wie im Streitfall - durch die Vermehrung dieses (negativen) Betrags durch die "veranlagte" Einkommensteuer auf Kapitalerträge (§ 32d Abs. 3 und 4 EStG) oder andere Hinzurechnungsgrößen eine positive festzusetzende Einkommensteuer ergibt. Denn negative Rechengrößen kennt das Einkommensteuerrecht im Rahmen der Ermittlung der Steuer anders als bei der Ermittlung der Einkünfte (§ 10d EStG) nicht.
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