26.03.2012

Keine Verrechnung von Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften in Frankreich

Der Ausschluss der Verrechnung von Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften in Frankreich verstößt weder gegen die Niederlassungsfreiheit noch gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Eine Beschränkung des Rechts auf Freizügigkeit ist für die Erreichung des Ziels, nur die (negativen) Einkünfte früherer Jahre zu berücksichtigen, die dem inländischen Besteuerungsrecht unterlagen, geeignet.

FG Düsseldorf 14.1.2012, 13 K 1501/10 F
Der Sachverhalt:
Die Kläger wohnten von 2001 bis 2004 in Frankreich. Sie veräußerten während dieser Zeit Wertpapiere und erlitten aus diesen Wertpapiergeschäften Verluste. Diese konnten nach französischem Recht vorgetragen und mit Gewinnen aus Wertpapiergeschäften späterer Jahre verrechnet werden. Ende des Jahres 2004 zogen die Kläger nach Deutschland zurück. Sie erzielten 2005 einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften und begehrten die Verrechnung der in Frankreich erlittenen Verluste mit diesem Gewinn.

Das Finanzamt lehnte dies ab. Die Kläger machten geltend, diese Weigerung des Finanzamtes verstoße gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht. Hätten sie die Verluste in Deutschland erlitten, wäre ein Verlustvortrag zulässig gewesen. Das Finanzamt entgegnete, Einkünfte aus Frankreich seien nach dem DBA-Frankreich von der Besteuerung in Deutschland freigestellt. Sie könnten in Deutschland nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts gem. § 32b EStG berücksichtigt werden. Dies sei im Streitfall jedoch nicht möglich, da private Veräußerungsverluste in Frankreich nur mit ebensolchen Einnahmen in Frankreich in den Folgejahren ausgeglichen werden dürften. Ein Ausgleich der französischen Veräußerungsverluste mit deutschen Einnahmen sei somit ausgeschlossen.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Allerdings wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Die Kläger haben keinen Anspruch darauf, dass das Finanzamt einen verbleibenden Verlustvortrag aus privaten Veräußerungsgeschäften, die die Kläger in den Jahren 2002 und 2003 getätigt hatten, zum 31.12.2004 gesondert feststellt.

Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 S. 9 EStG (i.d.F. des StBereinG 1999, heute § 23 Abs. 3 S. 8 EStG) i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG waren nicht erfüllt. Eine Berücksichtigung der Verluste ergab sich auch nicht aus dem Europäischen Gemeinschaftsrecht. Die Situation der Kläger, die steuerlich benachteiligt werden, weil sie während der Zeit, in der sie Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielten, in Frankreich wohnten und somit in Deutschland mit diesen Einkünften weder unbeschränkt noch beschränkt einkommensteuerpflichtig waren, wird nicht von Art. 56 EG (jetzt Art. 63 AEUV) über die Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs erfasst.

Der Ausschluss der Verrechnung verstieß zudem weder gegen die Niederlassungsfreiheit noch gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Es bedurfte keiner abschließenden Entscheidung, ob die §§ 23 Abs. 3 S. 9, § 10d Abs. 4 EStG die Grundfreiheit der Freizügigkeit beschränken, denn nach Ansicht des Senats wäre eine solche Beschränkung statthaft. Nach gefestigter EuGH-Rechtsprechung können nationale Regelungen, die geeignet sind, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, nämlich statthaft sein. Und eine Beschränkung der Freizügigkeit i.S.d. Art. 18 u. 39 EG (jetzt Art. 21 und 45 AEUV) ist dann statthaft, wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, zur Erreichung des Beschränkungszwecks geeignet ist und nicht über das hinausgeht, was hierzu erforderlich ist.

Eine Beschränkung des Rechts auf Freizügigkeit ist für die Erreichung des Ziels, nur die (negativen) Einkünfte früherer Jahre zu berücksichtigen, die dem inländischen Besteuerungsrecht unterlagen, geeignet. Außerdem geht die Beschränkung nicht über das hinaus, was zur Erreichung des Beschränkungszwecks erforderlich ist. Mangels gemeinschaftlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen bleiben die Mitgliedstaaten dafür zuständig, die Kriterien für die Besteuerung festzulegen, um eine Doppelbesteuerung ggfs. im Vertragswege zu beseitigen. Vorliegend kam hinzu, dass Deutschland bereits nach nationalem Recht im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht auf die Besteuerung der (positiven und negativen) Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften verzichtet hatte.

Linkhinweis:

FG Düsseldorf PM v. 23.3.2012
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