01.12.2011

Kindergeld: Semestergebühren sind insgesamt als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen abziehbar

Die zur Aufnahme oder Fortsetzung des Studiums verpflichtend zu entrichtenden Semestergebühren sind keine Mischkosten. Sie sind vielmehr grundsätzlich insgesamt als abziehbarer ausbildungsbedingter Mehrbedarf zu qualifizieren, auch wenn der Studierende durch deren Entrichtung privat nutzbare Vorteile (z.B. Semesterticket) erlangt (entgegen Abschn. 63.4.3.1. Abs. 2 DA-FamEStG 2009).

BFH 22.9.2011, III R 38/08
Der Sachverhalt:
Der Kläger beantragte für seinen Sohn M Kindergeld für das Streitjahr 2004. M besuchte während des Streitzeitraums eine Universität und trug besondere Ausbildungskosten i.H.v. 2.133 €. In diesem Betrag sind Fahrtkosten für die Wege zwischen Wohnung und Universität i.H.v. 1.680 € enthalten. Zudem bezahlte er im Streitzeitraum zweimal Semestergebühren (2 x 120 €). Bei Nichtentrichtung dieser Gebühren hätte M sein Studium nicht fortsetzen können. Zudem bestand für die Studenten bei der Rückmeldung keine Wahl, ob sie eine in diesen Gebühren ggf. enthaltene Nutzungsmöglichkeit für den öffentlichen Nahverkehr miterwerben wollten.

Daneben erzielte M Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 11.903 €. Nach Berücksichtigung der von ihm geleisteten Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung und den vorstehend genannten Ausbildungskosten beliefen sich seine Einkünfte im Streitzeitraum - ohne Abzug der Semestergebühren - auf 7.817 €. Die beklagte Familienkasse lehnte den Antrag auf Gewährung von Kindergeld ab, da die Einkünfte und Bezüge des M den Jahresgrenzbetrag von 7.680 € überschritten hätten.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Es meinte, die Semestergebühren i.H.v. insgesamt 240 € seien insgesamt als ausbildungsbedingter Mehrbedarf abziehbar, so dass die Einkünfte des Sohnes nicht über dem maßgeblichen Jahresgrenzbetrag lägen. Die Revision der Familienkasse hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Entscheidung des FG, die von M entrichteten Semestergebühren seien in voller Höhe von seinen Einkünften abzuziehen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Die Auffassung der Verwaltung, wonach die Semestergebühren als Mischkosten zu beurteilen seien und darin enthaltene Einzelpositionen nur dann abgezogen werden könnten, wenn die erhebende Institution diese getrennt ausweise, ist abzulehnen. Die Semestergebühren stellen insgesamt ausbildungsbedingte Mehraufwendungen dar, weil der Studierende diese Gebühren, will er sein Studium aufnehmen oder fortsetzen, in voller Höhe zwingend entrichten muss.

Es liegt auch insoweit keine schädliche private Mitveranlassung vor, als der Studierende durch deren Entrichtung privat nutzbare Vorteile (z.B. Semesterticket) erlangt. Als maßgeblich hierfür hat das FG insbes. angesehen, dass der Studierende nicht frei über den Erwerb solcher in der Semestergebühr enthaltenen Positionen entscheiden kann, die ggf. auch privat nutzbare Vorteile - wie z.B. ein Semesterticket, das auch für andere Fahrten als solche zwischen Wohnung und Ausbildungsstätte (Universität) genutzt werden kann - umfassen. Vielmehr hat der Studierende, will er sein Studium aufnehmen oder fortsetzen, verpflichtend den gesamten Betrag zu entrichten.

Schließlich steht dem Abzug der Kosten für ein in der Semestergebühr enthaltenes Semesterticket auch nicht entgegen, dass die Kosten des Studierenden für die Fahrten zwischen seiner Wohnung und der Universität bereits mit den Sätzen der Entfernungspauschale berücksichtigt wurden. Die Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale greift nicht ein, weil die Aufwendungen für ein über die Semestergebühr erhaltenes Semesterticket nicht durch die Fahrten zwischen Wohnung und Universität veranlasst sind.

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BFH PM Nr. 95 vom 30.11.2011
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