05.05.2025

Missbräuchliche Inanspruchnahme eines abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs

1. Zur missbräuchlichen Inanspruchnahme des Schachtelprivilegs des DBA-Luxemburg 1958/2009 durch eine KGaA, die sich einer wirtschaftlich weitgehend funktionslosen Luxemburger Tochtergesellschaft bedient, mit der sie durch mehrere kurzfristig hintereinandergeschaltete Rechtsakte (Gesellschafterdarlehen, Darlehensverzicht, Gewinnausschüttung) "künstlich" Dividenden erzeugt.
2. § 15b des Einkommensteuergesetzes (Verluste im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen) findet im Bereich der Gewerbesteuer keine Anwendung.

Kurzbesprechung
BFH v. 18.12.2024 - I R 12-13/21

DBA LUX 1958 Art 20 Abs 2 S 1, DBA LUX 1958 Art 20 Abs 2 S 3
AO § 42
GewStG § 7 S 1
EStG § 15b, EStG § 50d Abs 11
EWGRL 435/90 Art 1 Abs 2
EURL 96/2011 Art 1 Abs 2


Streitig war die Anwendbarkeit des sog. Schachtelprivilegs des DBA Luxemburg auf Ausschüttungen einer Luxemburger Kapitalgesellschaft an eine inländische KGaA in den Streitjahren 2011 und 2012.

Die Steuerpflichtige ist eine in 2011 gegründete KGaA, kurz nach Tätigkeitsbeginn die G-SARL mit Sitz in Luxemburg als Tochtergesellschaft gründete. Die KGaA hielt als Muttergesellschaft im Kalenderjahr 2011 und bis zum Verkauf der SARL im Dezember 2012 zu 100 % eine Beteiligung an der SARL als Tochter.

Mit Verträgen v. 25.11.2011 sowie v. 23.1.2012 gewährte die KGaA ihrer Tochter zwei Darlehen. Das Kapital für die Darlehen stammte aus Sondereinlagen der Kommanditisten der Steuerpflichtigen. Mit kurze Zeit nach Darlehensgewährung getroffenen Vereinbarungen verzichtete die KGaA gegenüber der G-SARL auf die Rückzahlung der Darlehen und buchte den ursprünglichen Forderungsbetrag gegenüber der Tochter auf die Anschaffungskosten der Beteiligung um. Hierdurch erhöhten sich die ursprünglichen Anschaffungskosten.

Die G-SARL löste die Verbindlichkeiten in beiden Jahren auf und erfasste die Beträge in ihrer Handelsbilanz jeweils als Ertrag und schüttete die Darlehenssumme an die Steuerpflichtige aus. Diese erfasste die Ausschüttungen jeweils als Erträge aus Beteiligung.

Da die SARL nach erfolgter Ausschüttung zum Bilanzstichtag über kein nennenswertes Kapital mehr verfügte, korrigierte die Steuerpflichtige den Beteiligungsansatz und verbuchte eine entsprechende Teilwertabschreibung.

Am 30.11.2012 veräußerte die Steuerpflichtige die Beteiligung an der G-SARL und buchte die Beteiligung als Abgang aus dem Anlagevermögen verlustbringend aus. Nachdem das FA dieser Behandlung nicht folgte, entschied auch das FG, dass die Ausschüttungen der G-SARL an die Steuerpflichtige zwar als Dividenden dem Schachtelprivileg des DBA-Luxemburg 1958/2009 entsprechen, jedoch in der rechtlichen Gestaltung der Darlehensvergabe mit anschließendem Erlass der Darlehensforderung und unmittelbar folgender Gewinnausschüttung ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 42 AO vorliege, weil sie ausschließlich dem Zweck gedient habe, in wirtschaftlich unangemessener Weise künstliche, steuerlich nutzbare Verluste realisieren zu können.

Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz, dass die Ausschüttungen der G-SARL an die Steuerpflichtige, soweit sie auf den Anteil der G-KG entfallen, nur zu 40 % nach dem Teileinkünfteverfahren und nicht auch in Höhe der verbleibenden 60 % gemäß dem Schachtelprivileg des DBA-Luxemburg von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuern auszunehmen sind. Allerdings kommt hier § 42 AO in Bezug auf die beiden Ausschüttungen und die Berufung auf das Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 DBA-Luxemburg 1958/2009 zum Tragen.

Missbräuchlich kann die Zwischenschaltung einer ausländischen Gesellschaft sein, wenn sie - wie im Streitfall - lediglich vorübergehend erfolgt und nur zu dem Zweck bestimmt ist, anderweitig drohenden steuerlichen Belastungen zu entgehen. Auch werden die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 Satz 3 AO  im Hinblick auf die Gewerbesteuer nicht gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 AO durch eine vorrangige Anwendung der einzelsteuergesetzlichen Missbrauchsvermeidungsnorm des § 15b EStG verdrängt.
Verlag Dr. Otto Schmidt