07.07.2022

Mittelbare vGA im Zusammenhang mit nießbrauchbelasteten GmbH-Geschäftsanteilen

1. Ist an einem Kapitalgesellschaftsanteil ein Nießbrauch bestellt, der dem Nießbrauchberechtigten lediglich einen Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil einräumt, ohne dass dieser wesentliche Verwaltungsrechte, insbesondere die Stimmrechte, ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann, sind die Kapitaleinnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG ertragsteuerlich weiterhin dem Anteilseigner zuzurechnen.
2. Ist in diesem Fall die Anteilseignerin des nießbrauchbelasteten Kapitalgesellschaftsanteils eine Kapitalgesellschaft, kann die direkte Auszahlung der Ausschüttungen an den Nießbrauchberechtigten zu einer mittelbaren vGA führen, wenn es sich beim Gesellschafter der anteilseignenden Kapitalgesellschaft und beim Nießbrauchberechtigten um einander nahestehende Personen handelt.

Kurzbesprechung
BFH v. 14. 2. 2022 - VIII R 29/18

EStG § 20 Abs 1 Nr. 1 S 1, § 20 Abs 1 Nr. 1 S 2, § 20 Abs 2a
AO § 39 Abs 1
BGB § 99 Abs 2, § 100, § 101 Nr. 2, § 1068 Abs 2


Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen als sonstige Bezüge aus Anteilen an einer GmbH auch verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA). Eine vGA im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat. Sie kann auch ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter verwirklicht werden, wenn der Vorteil dem Gesellschafter durch das Gesellschaftsverhältnis mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht.

Einkünfte sind demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand der Erzielung der Einkünfte erfüllt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 EStG). Einnahmen aus Kapitalvermögen erzielt derjenige, der die rechtliche und tatsächliche Macht hat, das in § 20 Abs. 1 Nrn. 1 bis 7 EStG genannte Kapitalvermögen entgeltlich auf Zeit zur Nutzung zu überlassen, wobei das Rechtsverhältnis maßgebend ist, auf dem die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung beruht. Dies gilt auch dann, wenn die Kapitaleinnahmen gemäß § 20 Abs. 3 EStG oder § 8 Abs. 2 KStG einer anderen Einkunftsart zugewiesen werden.

Zurechnungssubjekt einer Ausschüttung durch eine GmbH ist danach grundsätzlich der Anteilseigner (§ 20 Abs. 2a Sätze 1 und 2 EStG, § 39 Abs. 1 AO). Einem zivilrechtlich hiervon abweichenden Gläubiger der Ausschüttung (z.B. aufgrund einer Abtretung gemäß § 398 BGB oder aufgrund einer Nießbrauchbestellung gemäß § 1068 BGB) ist diese nur dann einkommensteuerlich zuzurechnen, wenn ihm die Dispositionsbefugnis über die Einkunftsquelle eingeräumt ist und seine Rechtsposition somit über das bloße Empfangen der Einkünfte hinausgeht.

Hierfür reicht es nicht aus, wenn an einem GmbH-Geschäftsanteil unentgeltlich ein Nießbrauch zugunsten eines Dritten bestellt wurde, der dem Nießbrauchberechtigten lediglich einen Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil gemäß § 1068 Abs. 2, § 1030 i.V.m. § 99 Abs. 2, § 100, § 101 Nr. 2 BGB einräumt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Nießbrauchberechtigte ‑‑z.B. durch Übergang der Mitverwaltungsrechte, insbesondere der Stimmrechte.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 20 Abs. 2a Satz 3 EStG, wonach ein Nießbrauchberechtigter als Anteilseigner gilt, wenn ihm die Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzurechnen sind. Diese Norm regelt keine abweichende Zurechnung der Einnahmen, sondern setzt diese voraus und fingiert den Nießbrauchberechtigten sodann als Anteilseigner.

Neben dem Vorliegen eines "Näheverhältnisses" zwischen Gesellschafter und Vorteilsempfänger ist eine vGA ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter nur dann verwirklicht, wenn die Vorteilszuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis der vorteilsgewährenden Gesellschaft zum Gesellschafter hatte. Nur in diesem Fall ist die Zuwendung zu Lasten der vorteilsgewährenden Gesellschaft so zu beurteilen, als hätte der Gesellschafter den Vorteil erhalten und diesen an die nahestehende Person weitergegeben. Unerheblich ist hingegen, ob der Gesellschafter selbst ein vermögenswertes Interesse an der Zuwendung hatte.

Gewährt die Kapitalgesellschaft einer dem Gesellschafter nahestehenden Person einen Vorteil, so spricht zwar der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Vorteil mittelbar dem Gesellschafter zugewandt wird. Allerdings gilt dies uneingeschränkt nur für den Fall, dass andere Ursachen für die Zuwendung als das "Nahestehen" des Empfängers zu einem Gesellschafter auszuschließen sind. Der Beweis des ersten Anscheins für eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis kann somit durch die Feststellung erschüttert werden, die Zuwendung des Vorteils habe ihre Ursache ausschließlich in einer vom Gesellschaftsverhältnis zum nahestehenden Gesellschafter unabhängigen Beziehung der Kapitalgesellschaft zum Empfänger der Zuwendung.

Im Streitfall war nach den Feststellungen des FG die Vorteilszuwendung der B GmbH an die A GmbH (Nießbrauchsberechtigte) durch die Einbringung der nießbrauchbelasteten Geschäftsanteile der C GmbH in die B GmbH aufgrund eines Kapitalerhöhungsbeschlusses und der entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen veranlasst. Das FG entschied, dass die B - GmbH mit dieser vertraglichen Grundlage der Anteilseignerin einen Vermögensvorteil eingeräumt habe, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer einem Nichtgesellschafter nicht hätte zukommen lassen.

Dies sieht der BFH jedoch anders. Insbesondere ist seiner Auffassung nach nicht ausgeschlossen, dass die Einbringung der Geschäftsanteile an der C GmbH in die B GmbH gegen Erhalt neuer Geschäftsanteile an dieser zwischen den Vertragsbeteiligten ‑‑der Anteilseignerin und der B GmbH‑‑ nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen und daher wie unter fremden Dritten vollzogen wurde. In diesem Fall wären die Einbringung der nießbrauchbelasteten Anteile und die nachfolgende Vorteilszuwendung der B GmbH an die A GmbH nicht gesellschaftsrechtlich veranlasst gewesen und eine vGA der B GmbH an die Anteilseignerin ausgeschlossen.

Der BFH hob daher die Entscheidung des FG auf und verwies den Streitfall an die Vorinstanz zurück mit folgenden Hinweisen zurück:
  • Die objektive Feststellungslast dafür, ob die Voraussetzungen einer vGA vorliegen, obliegt grundsätzlich dem FA. Das betrifft auch die Frage nach der Veranlassung der Vorteilszuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis. Spricht der festgestellte Sachverhalt dafür, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann es allerdings Sache des Gesellschafters sein, den dadurch gesetzten Anschein zu widerlegen. Es gelten die allgemeinen Grundsätze der Beweisrisikoverteilung.
     
  • Entscheidend ist im Streitfall, ob die Einbringung der nießbrauchbelasteten Geschäftsanteile an der C GmbH in die B GmbH durch die Anteilseignerin gegen Ausgabe neuer Geschäftsanteile der B GmbH nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen war.
     
  • Scheiden andere (betriebliche) Gründe aus, wären die Voraussetzungen einer vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG der B GmbH an die Anteilseignerin in Höhe der von der C GmbH an die A GmbH ausgezahlten Teile der Ausschüttungen ‑‑unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens gemäß § 3 Nr. 40 EStG‑‑ erfüllt und die Klage abzuweisen.
     
  • War die Einbringung hingegen fremdüblich vollzogen und die Vorteilszuwendung der B GmbH an die A GmbH folglich betrieblich veranlasst, wäre der Klage stattzugeben. Insbesondere läge in diesem Fall auch kein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO vor. Die direkt an die A GmbH ausgezahlten Ausschüttungen seitens der C GmbH wären einkommensteuerlich als Vorausabtretung der Ausschüttungen durch die B GmbH zu werten, die bei der A GmbH als sonstiger betrieblicher Ertrag zu erfassen und nicht nach § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG von der Besteuerung auszunehmen wären. Eine nachfolgende Ausschüttung dieser Beträge durch die A GmbH unterläge bei der Anteilseignerin wiederum nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG der Besteuerung und wäre ‑‑mangels vorheriger Einlagen durch die Anteilseignerin‑‑ auch nicht als Einlagenrückgewähr gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung auszunehmen. Die Umgehung eines Steuergesetzes i.S. des § 42 Abs. 1 Satz 1 AO läge daher nicht vor.


Hinweis: In seiner Entscheidung v. 14.2.2022 - VIII R 30/18 hat der achte Senat des BFH gleichlautend entschieden.

Verlag Dr. Otto Schmidt
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