04.02.2021

Nachweis der Einlagenrückgewähr bei Ausschüttungen einer EU-Kapitalgesellschaft im Steuerfestsetzungsverfahren des Anteilseigners

Fragen der Vereinbarkeit des von der ausschüttenden EU-Kapitalgesellschaft zu betreibenden Feststellungsverfahrens gemäß § 27 Abs. 8 KStG mit höherrangigem Recht hinsichtlich des grundsätzlichen Erfordernisses des Verfahrens, der Antragstellung und -frist, der Anforderungen an den Nachweis einer Einlagenrückgewähr und der Mitwirkungs- und Antragsrechte des Anteilseigners sind nicht im Rahmen der Veranlagung des Anteilseigners zu klären.

Kurzbesprechung
BFH v. 27.10.2020 - VIII R 18/17

KStG § 27 Abs. 1 S. 3 u. 5, Abs. 3 u. 8
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 S 1 u. 3, § 32d Abs 4
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1
AEUV Art. 63, Art. 267


Streitig war, ob die von dem Steuerpflichtigen im Streitjahr 2011 aus einer österreichischen Kapitalgesellschaft (AG) bezogene Ausschüttung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG aufgrund einer Einlagenrückgewähr als nicht steuerbarer Kapitalertrag zu behandeln ist.

Der BFH entschied, dass der Bezug des Steuerpflichtigen von der AG als steuerpflichtiger Kapitalertrag gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und nicht als Einlagenrückgewähr gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zu berücksichtigen ist.

Bezüge des inländischen Anteilseigners von ausländischen (EU- und Drittstaaten-)Kapitalgesellschaften in Geld oder Geldeswert (§ 8 Abs. 1 EStG) gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, soweit die Vorteilszuwendung nicht als Einlagenrückgewähr zu werten ist. Unerheblich ist dabei, ob die Bezüge zu Lasten des Gewinns oder zu Lasten der Vermögenssubstanz der Gesellschaft geleistet werden und in welcher Form die Vorteilszuwendung ausgestaltet ist. § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG ordnet an, dass, soweit Leistungen nicht als Fall der Einlagenrückgewähr gemäß § 27 Abs. 8 Satz 1 KStG gesondert festgestellt werden, sie als Gewinnausschüttung gelten, die beim Anteilseigner zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führen.

Da für die Ausschüttung der AG in Höhe von 30.750 € nicht gesondert festgestellt worden war, dass es sich um eine Einlagenrückgewähr gemäß § 27 Abs. 8 Sätze 1 und 2 KStG handelt, gilt die Ausschüttung gemäß § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG als steuerpflichtige Gewinnausschüttung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG an den Steuerpflichtigen.

Die Bundesrepublik Deutschland als Ansässigkeitsstaat des unbeschränkt steuerpflichtigen Steuerpflichtigen (§ 1 Abs. 1 EStG) darf die Ausschüttung der AG, welche gemäß § 4 Abs. 12 EStG-Österreich aus österreichischer Sicht eine Einlagenrückgewähr an den Steuerpflichtigen darstellt, nach dem DBA - Österreich besteuern. Nach Art. 10 Abs. 1 und Abs. 3 DBA-Österreich steht Deutschland als Wohnsitzstaat ein Besteuerungsrecht für Dividenden zu. Dividenden gemäß Art. 10 Abs. 3 Satz 1 DBA-Österreich sind u.a. Einkünfte aus Aktien, zu denen auch Einlagenrückzahlungen i.S. des § 4 Abs. 12 EStG-Österreich gehören.

Soweit der Steuerpflichtige geltend macht, das beim BZSt zu betreibende Feststellungsverfahren gemäß § 27 Abs. 8 KStG sei mit dem Unions- und Verfassungsrecht nicht vereinbar, waren diese Fragen im vorliegenden Verfahren, das die Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr betrifft, nicht zu behandeln. Denn sämtliche verfassungs- und unionsrechtlichen Zweifelsfragen betreffen das von der EU-Kapitalgesellschaft zu betreibende Feststellungsverfahren gemäß § 27 Abs. 8 KStG und sind nur im Rahmen eines Klageverfahrens gegen einen (ggf. negativen) gesonderten Feststellungsbescheid zu entscheiden, der gemäß § 27 Abs. 8 Satz 3 KStG materiell-rechtliche Bindungswirkung für die Steuerfestsetzung des Anteilseigners entfaltet. Hiervon zu unterscheiden ist die im Streitfall ausschließlich zu betrachtende Frage, ob dem Steuerpflichtigen nach den Vorgaben des Verfassungs- und/oder Unionsrechts eine vom Feststellungsverfahren gemäß § 27 Abs. 8 KStG losgelöste Nachweisführung einer Einlagenrückgewähr für die von einer EU-Kapitalgesellschaft bezogene Ausschüttung einzuräumen ist.

Der BFH entschied weiterhin, dass der Steuerpflichtige nicht dadurch in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist, dass § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG bei ihm das Vorliegen einer steuerpflichtigen Gewinnausschüttung allein deshalb fingiert, weil die EU-Kapitalgesellschaft das Feststellungsverfahren gemäß § 27 Abs. 8 KStG nicht betreibt.

Ob aufgrund der fehlenden individuellen Nachweismöglichkeit einer Einlagenrückgewähr für Anteilseigner von EU-Kapitalgesellschaften ein Verstoß gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit in Art. 63 AEUV vorliegen könnte, war im Streitfall nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn man dem Steuerpflichtigen diese Möglichkeit zubilligen würde, waren im Streitfall keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Ausschüttung der AG als Einlagenrückgewähr zu qualifizieren sein könnte. Der BFH sah daher keinen Grund, eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO oder die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV zu veranlassen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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