27.06.2012

Nachweis der Zwangsläufigkeit von bestimmten Aufwendungen im Krankheitsfall ist verfassungsgemäß

Die vom Gesetzgeber - im Wege der Neuregelung im Steuervereinfachungsgesetz 2011 - eingeführten formellen Anforderungen an den Nachweis bestimmter Krankheitskosten (für deren Anerkennung als außergewöhnliche Belastung) sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch der Umstand, dass die neuen Nachweisregelungen rückwirkend in allen noch offenen Fällen anzuwenden sind, ist verfassungsrechtlich unbedenklich.

BFH 19.4.2012, VI R 74/10
Der Sachverhalt:
Die Kläger machten im Streitjahr 2006 u.a. die Kosten für einen Kuraufenthalt als außergewöhnliche Belastungen geltend. Sie hatten allerdings die medizinische Notwendigkeit der Kur vor Reisebeginn weder durch ein ausgestelltes amtsärztliches oder vertrauensärztliches Attest noch durch eine Bescheinigung der gesetzlichen Krankenkasse belegt. Das Finanzamt ließ die Aufwendungen deshalb nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zu.

Das FG wies die Klage ab. Die Revision der Kläger blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Die streitigen Aufwendungen waren nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Hierzu können auch Aufwendungen im Krankheitsfall gehören. Bestimmte Krankheitskosten, bei denen die medizinische Notwendigkeit nicht offensichtlich ist, dürfen allerdings nur noch berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige ihre Zwangsläufigkeit z.B. durch ein amtsärztliches Gutachten nachweist.

Eine entsprechende gesetzliche Regelung (§ 33 Abs. 4 EStG und § 64 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung) hat der Gesetzgeber durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 eingeführt. Der Gesetzgeber hat damit auf die Änderung einer langjährigen Rechtsprechung reagiert, denn der BFH hatte 2010 dem seit jeher verlangten formellen Nachweis mangels einer gesetzlichen Grundlage eine Absage erteilt (BFH-Urteile v. 11.11.2010, Az.: VI R 17/09 u. VI R 16/09).

Die nun vom Gesetzgeber geregelten Anforderungen an den Nachweis bestimmter Krankheitskosten sind von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Auch der Umstand, dass die neuen Nachweisregelungen rückwirkend in allen noch offenen Fällen anzuwenden sind, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Schließlich liegt darin keine unzulässige Rückwirkung. Das Rückwirkungsverbot tritt namentlich dann zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte, etwa weil die Rechtslage unklar und verworren war oder eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung zu einer bestimmten Steuerrechtsfrage nach Änderung der Rechtsanwendungspraxis rückwirkend gesetzlich festgeschrieben wird.

Gemessen daran durfte der Verordnungsgeber das formalisierte Nachweisverlangen rückwirkend anordnen. Damit hatte der Gesetzgeber die Rechtslage auch mit Wirkung für die Vergangenheit so geregelt, wie sie bis zur Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der einhelligen Praxis der Finanzverwaltung und damit allgemeiner Rechtsanwendungspraxis auch auf Seiten der Steuerpflichtigen entsprach.

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BFH PM Nr. 49 vom 27.6.2012
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