22.09.2022

Nichtannahme einer Zollanmeldung wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) - keine eigene arzneimittelrechtliche Prüfungsbefugnis der Zollbehörde

Hat die nach dem AMG fachlich zuständige Behörde entschieden, dass es sich bei den in einer Postsendung enthaltenen Produkten um Arzneimittel handelt, die gemäß § 73 AMG einem Verbringungsverbot unterliegen, so ist das HZA an diese Entscheidung gebunden. Ob die Entscheidung der zuständigen Arzneimittelbehörde rechtmäßig ist, kann wegen der Feststellungswirkung der fachbehördlichen Entscheidung im finanzgerichtlichen Verfahren nicht überprüft werden. Rechtsschutz ist insoweit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu suchen.

Kurzbesprechung
BFH v. 17. 5. 2022 - VII R 4/19

GG Art 19 Abs 4, Art 20 Abs 3, Art 83, Art 84 Abs 1
EUV 952/2013 Art 134 Abs 1, 952/2013 Art 172, 952/2013 Art 194 Abs 1
ZollVG § 1, § 7 Abs 1 Nr. 3, § 12
AMG § 2 Abs 1, § 69, § 73, § 74, § 77,
BMG-1-20060329-KF § 13 Abs 1 S 2
FGO § 76 Abs 1 S 1, § 155
GVG § 17 Abs 2 S 1
VwVfG § 3
VwGO § 40


Streitig war die Nichtannahme einer Zollanmeldung wegen eines Verstoßes gegen das Verbringungsverbot nach § 73 des Arzneimittelgesetzes (AMG). Der BFH entschied, dass der Annahme (Art. 172 UZK) ein Einfuhrverbot gemäß § 73 AMG entgegenstand.

Die Annahme der Zollanmeldung setzt voraus, dass für die Waren keine Verbote und Beschränkungen gelten. Gemäß Art. 134 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 UZK unterliegen Waren, die in das Zollgebiet der Union verbracht werden, ab dem Zeitpunkt ihres Eingangs der zollamtlichen Überwachung und können einer Zollkontrolle unterzogen werden. Die zollamtliche Überwachung erstreckt sich gemäß Art. 134 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 UZK auch auf die Einhaltung von Verboten und Beschränkungen.

Gemäß Art. 172 UZK werden Zollanmeldungen, die die Anforderungen des Titels V Kapitel 2 des UZK erfüllen, von den Zollbehörden unverzüglich angenommen, sofern die betreffenden Waren den Zollbehörden gestellt wurden. Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 ZollVG lehnt die Zollbehörde die Annahme einer Zollanmeldung ab, wenn Verbote und Beschränkungen entgegenstehen.

Im Streitfall stand der Annahme der Zollanmeldung das Verbringungsverbot des § 73 AMG entgegen. An die diesbezügliche Stellungnahme des LSJV ist das HZA gebunden. Für das finanzgerichtliche Verfahren folgt daraus, dass in diesem, soweit die zuständige Arzneimittelüberwachungsbehörde eingeschaltet worden ist, nur über die Rechtmäßigkeit des Handelns der Zollbehörden im Zusammenhang mit der Überwachung der Einfuhr von Arzneimitteln zu entscheiden ist.

Die Überprüfungsbefugnis des FG reicht dabei nur so weit, wie den Zollbehörden eine eigene Entscheidungsbefugnis zukommt. Die Entscheidung der arzneimittelrechtlichen Überwachungsbehörde ‑‑als Fachbehörde‑‑ unterliegt dementsprechend nicht der gerichtlichen Kontrolle durch die Finanzgerichte.

Weder die Sachaufklärungspflicht des Gerichts gemäß § 76 Abs. 1 FGO noch seine Vorfragenkompetenz gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 des GVG i.V.m. § 155 FGO noch schließlich die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG stehen der nur eingeschränkten Prüfungskompetenz des FG entgegen.

Für den Streitfall folgte daraus, dass das HZA die Annahme der streitigen Zollanmeldung auf der Grundlage der Stellungnahme des LSJV zurecht verweigert hatte.

Das LSJV ist die im Streitfall zuständige Arzneimittelüberwachungsbehörde. Die Verbandskompetenz des Landes Rheinland-Pfalz folgt aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 2 VwVfG analog; denn Anlass für die Amtshandlung der Arzneimittelüberwachungsbehörde war die Überprüfung der Einfuhrfähigkeit von Waren durch die AbfSt IFS Speyer gewesen und das LSJV war zuerst mit der Sache befasst worden.

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des LSJV folgt aus § 1 der Landesverordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Arzneimittel- und des Transfusionsrechts vom 28.11.2000 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Rheinland-Pfalz 2000, 499) .Somit war die AbfSt IFS Speyer gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG berechtigt und verpflichtet, ihren Verdacht eines Verstoßes gegen § 73 AMG dem LSJV als der für den Vollzug des Arzneimittelrechts in Rheinland-Pfalz zuständigen Behörde zu melden.

Das LSJV hatte entschieden, dass die streitigen Präparate als Funktionsarzneimittel den Bestimmungen des AMG unterliegen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Entscheidung offenkundig unzutreffend wäre, waren nicht ersichtlich; der Umstand, dass andere Arzneimittelbehörden in vergleichbaren Fällen anders entschieden haben mögen, begründete jedenfalls keine offenkundige Rechtswidrigkeit der vorliegenden Entscheidung. Somit waren sowohl das HZA als auch das FG an diese Entscheidung gebunden.

Will der Kläger dagegen vorgehen, muss er sich an das LSJV wenden und ‑‑gegebenenfalls‑‑ den Verwaltungsrechtsweg beschreiten. Soweit er beantragt hat, das HZA zu verpflichten, die streitigen Waren zum zollrechtlich freien Verkehr zu überlassen, war die Revision unzulässig. Denn der Klageantrag des Klägers war im erstinstanzlichen Verfahren auf die Annahme der streitigen Zollanmeldung beschränkt. Eine Überlassung dieser Waren hatte er dort nicht beantragt. Eine Erweiterung des Klageantrags ist im Revisionsverfahren ausgeschlossen; die Revision war insoweit mangels formeller Beschwer unzulässig.
Verlag Dr. Otto Schmidt
Zurück