21.11.2024

Nur punktuelle Änderungsmöglichkeit nach § 50d Abs. 8 Satz 2 EStG

Die Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheids nach § 50d Abs. 8 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) setzt voraus, dass die Arbeitnehmereinkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen wegen der Verletzung der in § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG normierten Nachweispflichten abkommenswidrig in die zu ändernde Einkommensteuerveranlagung einbezogen worden sind.

Kurzbesprechung
BFH v. 1.8.2024 - VI R 34/21

EStG § 19, § 50d Abs 8 S 1, § 50d Abs 8 S 2
DBA GBR 2010 Art 18, 2010 Art 23 Abs 1 Buchst. a
AO § 175 Abs 1 S 1 Nr 2


Sind Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, wird die Freistellung bei der Veranlagung ungeachtet des Abkommens gemäß § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG nur gewährt, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass der Staat, dem nach dem Abkommen das Besteuerungsrecht zusteht, auf dieses Besteuerungsrecht verzichtet hat oder dass die in diesem Staat auf die Einkünfte festgesetzten Steuern entrichtet wurden. Wird ein solcher Nachweis erst geführt, nachdem die Einkünfte in eine Veranlagung zur Einkommensteuer einbezogen wurden, ist der Steuerbescheid insoweit nach § 50d Abs. 8 Satz 2 EStG zu ändern.

§ 175 Abs. 1 Satz 2 AO ist entsprechend anzuwenden (§ 50d Abs. 8 Satz 3 EStG). Ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO setzt § 50d Abs. 8 Satz 2 EStG nicht voraus. Denn § 50d Abs. 8 Satz 3 EStG erklärt die Regelung des § 175 Abs. 1 Satz 2 AO lediglich für entsprechend anwendbar. Bei § 50d Abs. 8 Satz 2 EStG handelt es sich vielmehr um eine eigenständige Korrekturnorm. Danach gilt die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung - selbst wenn sie wie in § 50d Abs  8 Satz 1 EStG zur materiellen Freistellungsvoraussetzung erhoben wird - nicht als rückwirkendes Ereignis. Der Verweis auf § 175 Abs. 1 Satz 2 AO führt nur dazu, dass die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem der Nachweis nach § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG geführt wird. Dadurch soll dem Steuerpflichtigen ausreichend Zeit eingeräumt werden, die dem Abkommen entsprechende steuerliche Behandlung herbeizuführen.

Die Änderungsvorschrift eröffnet damit ausweislich ihres Wortlauts keine vollumfängliche, nachträgliche abkommensrechtliche Überprüfung bestandskräftiger Steuerfestsetzungen auf ihre materielle Richtigkeit, sondern nur eine punktuelle Änderung, soweit der von § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG geforderte Nachweis über die Besteuerung im anderen Staat oder den Besteuerungsverzicht des anderen Staates erst im Nachhinein geführt wird.

Sinn und Zweck der Vorschrift verlangen ebenfalls danach, dass im bestandskräftig abgeschlossenen Veranlagungsverfahren die Vorschrift des § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG angewandt und damit, dass eine abkommensrechtliche Freistellung nur mangels Nachweises versagt wurde. Denn (auch) ausweislich der Gesetzesbegründung sieht § 50d Abs. 8 Satz 2 EStG lediglich eine zielgerichtete Berichtigung des Steuerbescheids für den Fall vor, dass ein in § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG genannter Nachweis erbracht wird, nachdem die Einkünfte aufgrund dessen Nichterbringung zunächst in die Veranlagung einbezogen worden sind.

§ 50d EStG ist danach ersichtlich von dem gesetzgeberischen Willen getragen, durch § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG zunächst die Besteuerung im Inland sicherzustellen und einer dadurch drohenden - abkommenswidrigen ‑ Doppelbesteuerung in dem nachfolgenden Änderungsverfahren zu begegnen.

Im Streitfall war das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen, so dass der BFH die Vorentscheidung aufhob und die Klage abwies. Denn im Streitfall beruhte die Besteuerung der Abfindung nicht auf dem fehlenden Nachweis betreffend den britischen Steuerverzicht beziehungsweise die Zahlung der im Vereinigten Königreich festgesetzten Steuer, sondern auf der Rechtsauffassung, dass die Voraussetzungen für eine Freistellung nach dem DBA-Großbritannien 2010 aufgrund der in Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Großbritannien 2010 enthaltenen subject-to-tax-Klausel nicht erfüllt seien. Ein bloßer (vermeintlicher) Rechtsfehler/Rechtsirrtum erlaubt die Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheids nach § 50d Abs. 8 Satz 2 EStG jedoch nicht.
Verlag Dr. Otto Schmidt
Zurück