30.07.2013

Obsiegen in Musterverfahren ersetzt nicht die Rechtsbehelfseinlegung in Parallelverfahren

Das Obsiegen in einem Musterverfahren ersetzt nicht die Rechtsbehelfseinlegung in einem Parallelverfahren. Das EU-Recht enthält in Art. 236 ZK eine die Erstattung gesetzlich nicht geschuldeter Zölle abschließend regelnde Vorschrift.

FG Düsseldorf 15.5.2013, 4 K 4484/11 Z
Der Sachverhalt:
Die Schuldnerin, für die der Kläger das jetzige Klageverfahren aufnahm, führte im Jahr 2007 MP3-Player eines bestimmten Typs ein und ließ sie bei Zollstellen des Beklagten in den zollrechtlich freien Verkehr überführen. Sie erreichte in einem vorangegangenen Rechtsstreit vor dem EuGH für die von ihr eingeführten MP3-Player eine Einreihung zu einem erheblich niedrigeren Zollsatz (Beschl. v. 9.12.2010, C-193/10). Der Beklagte hatte zuvor mit Bescheid vom 25.7.2007 für die Sendung 16.752 € Zoll erhoben. Die Schuldnerin beantragte nach gewonnenem Rechtsstreit ausdrücklich erstmals am 28.12.2010 beim Beklagten die Erstattung des Zolls, was dieser ablehnte, da die dreijährige Antragsfrist abgelaufen sei.

Die Schuldnerin erhob hiergegen fristgerecht Klage. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin nahm der Kläger das Klageverfahren auf. Er war der Ansicht, die Schuldnerin habe konkludent sowohl Einspruch gegen die ergänzende Zollanmeldung aus Juli 2007 als auch die Erstattung des Zolls beantragt. Sie habe nämlich gegen alle Nacherhebungsbescheide Einspruch eingelegt und die Einreihungsfrage in einem Musterverfahren zu klären gesucht. Hinsichtlich der eingelegten Einsprüche sei sie mit einem Ruhen des Verfahrens einverstanden gewesen.

Das FG wies die Klage ab. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung des Zolls.

Die Schuldnerin hatte gegen die Abgabenanmeldung keinen Rechtsbehelf nach Art. 243 Abs. 2a ZK eingelegt, der als Erstattungsantrag gewertet werden konnte. Der Rechtsbehelf, der nach Art. 245 ZK i.V.m. §§ 355 ff. AO nur als Einspruch möglich wäre, hätte gem. § 357 Abs. 1 AO schriftlich oder zur Niederschrift zu erklärt werden müssen. Dies ist aber unterblieben.

Auch fehlte es an einem rechtzeitig gestellten ausdrücklichen Erstattungsantrag. Die hierfür nach Art. 236 Abs. 2 Unterabs. 1 ZK bestimmte dreijährige Antragsfrist war bei nämlich Antragstellung am 27.12.2010 abgelaufen. Eine Verlängerung der Frist nach Art. 236 Abs. 2 Unterabs. 2 ZK, die nur in Betracht kommt, wenn der Antragsteller nachweist, dass er infolge eines unvorhersehbaren Ereignisses oder höherer Gewalt an einer fristgerechten Antragstellung gehindert war, schied im Streitfall aus.

Letztlich ersetzte auch das Obsiegen in dem Musterverfahren nicht die Rechtsbehelfseinlegung in dem Parallelverfahren. Weitergehende Wirkungen kamen dem EuGH-Beschluss vom 9.12.2010 nur hinsichtlich der Auslegung der streitigen Positionen der KN zu. Insoweit hatte der EuGH deren Auslegung verbindlich festgelegt. Verfahrensrechtlich folgte daraus nur, dass immer dann, wenn auf Grund unrichtiger Auslegung der streitigen Positionen eine Änderung ergangener Bescheide möglich war, diese Änderung den Beschluss vom 9.12.2010 zu beachten hatte. Hier aber ergab sich aus Art. 236 Abs. 2 ZK, dass eine Erstattung zu unterbleiben hatte.

§ 130 AO war bei den hier streitigen Zollfestsetzungen nicht anzuwenden. Diese Vorschrift gilt nach § 1 Abs. 1 S. 2 AO nur vorbehaltlich des EU-Rechts. Dieses enthält in Art. 236 ZK eine die Erstattung gesetzlich nicht geschuldeter Zölle abschließend regelnde Vorschrift. Zudem war die Entscheidung, deren Änderung begehrt wurde, nicht durch ein Gericht, sondern durch den Beklagten als Verwaltungsbehörde getroffen worden und war innerhalb einzuhaltender Fristen anfechtbar gewesen. Zudem hätte ebenfalls fristgerecht ein Erstattungsantrag gestellt werden können.

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