26.06.2017

Offenbare Unrichtigkeit bei Übertragungsfehler

Ob die Fehlerursache auf einer fehlerhaften Programmierung des DATEV-Programms oder auf einer Fehlbedienung beruht, ist unerheblich, denn beide Fehlerursachen führen zu einem technischen Fehler. Bei fehlendem Abfluss auf dem Bank- oder Kassenkonto wird bei Einnahme-Überschuss-Rechnung noch gar keine Buchung vorgenommen oder es wird "nachrichtlich" eine Verbindlichkeit ausgewiesen.

FG Köln 30.3.2017, 15 K 3280/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Arzt, seine Einkünfte werden vom Finanzamt im Wege der gesonderten Gewinnfeststellung festgestellt. Im Streitjahr 2013 hatte der langjährige Prozessbevollmächtigte des Klägers im Rahmen des im Buchführungsprogramm "DATEV" eingerichteten Kontenrahmen "SKR 81" u.a. "Gesetzliche Sozialaufwendungen" i.H.v. insgesamt 55.709 € übermittelt. Das Konto ist allgemein der Kontengruppe 4 - "Betriebliche Aufwendungen" - zugeordnet und stellt ein Unterkonto des Kontenbereichs 4100 (Personalkosten) dar.

Ausweislich der Bilanzakte reichte der Kläger im Februar 2015 - vorab zur später im April 2015 eingereichten Feststellungserklärung - die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG für das Streitjahr ein. Hierin wurde ein Gewinn von 349.567 € erklärt. Als Vorjahreswert (= 2012) wurde ein Gewinn von 355.558 € angegeben, ausweislich der Vorjahres-Gewinnermittlung betrug der tatsächlich erklärte Gewinn des Vorjahres hingegen 296.935 €. Auf Blatt 2 der Gewinnermittlung 2013 waren keine wesentlichen Veränderungen der Personalkosten erkennbar (Vorjahr: 136.239 €; Streitjahr: 131.083 €), die ausgewiesenen Personalkosten des Vorjahres wichen jedoch auch hier von den tatsächlich im Vorjahr erklärten Personalkosten (194.861 €) ab.

Grund dieser Differenzen war die Tatsache, dass im Büro des Prozessbevollmächtigten ein von diesem im Rahmen eines Schriftsatzes aus November 2016 geschilderter Zuordnungsfehler unterlaufen war. In der Folgezeit stritt der Kläger mit dem Finanzamt über die Frage, ob das Finanzamt zum Erlass eines Änderungsbescheids verpflichtet ist, in welchem der Gewinn um bisher nicht berücksichtigte Personalkosten i.H.v. 55.709 € zu vermindern ist. Das Finanzamt lehnte den Änderungsantrag ab. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt.

Die Gründe:
Der Kläger hat einen Anspruch auf Berichtigung. Zwar liegt die Berichtigung nach § 129 AO grundsätzlich im Ermessen der Behörde (§ 129 S. 1 AO: "kann"). Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist jedoch zu berichtigen (§ 129 S. 2 AO). Ein berechtigtes Interesse besteht etwa dann, wenn sich die Unrichtigkeit - wie hier - auf die Höhe der Steuerfestsetzung ausgewirkt hat.

Infolgedessen lag hier eine dem Kläger unterlaufene Unrichtigkeit vor, die vom Finanzamt übernommen wurde. . Durch einen technischen Fehler bei Erstellung der Einnahme-Überschuss-Rechnung war das Konto 4130 den sonstigen Konten und nicht den Aufwandskonten zugeordnet worden, wodurch ein unstreitig zu hoher Gewinn ausgewiesen und besteuert wurde. Ob die Fehlerursache auf einer fehlerhaften Programmierung des DATEV-Programms oder auf einer - eher wahrscheinlich erscheinenden - Fehlbedienung beruhte, war unerheblich. Denn beide Fehlerursachen führen zu einem technischen Fehler.

Die Unrichtigkeit war "offenbar" im vorgenannten Sinne, d.h. ohne weiteres erkennbar. Bei Sichtung des Kontennachweises der Gewinnermittlung wurde deutlich, dass das Konto 4130 als einziges Aufwandskonto den "sonstigen Konten" zugeordnet wurde. Es erwies sich als "Fremdkörper" innerhalb der bei den sonstigen Konten aufgezählten Konten. Dies reichte im Streitfall aus, eine "Offenbarkeit" anzunehmen.

Letztlich lagen auch keine Anhaltspunkte für einen über die theoretische Möglichkeit hinausgehenden Rechtsanwendungs-, Sachverhaltsermittlungs- oder Sachverhaltswürdigungsfehlers des Veranlagungsbeamten vor. Gegen eine solche (mehr als theoretische) Möglichkeit sprach bereits, dass die Buchung auf einem Aufwandskonto bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG eine Gewinnminderung bewirken soll. Bei fehlendem Abfluss auf dem Bank- oder Kassenkonto wird bei Einnahme-Überschuss-Rechnung noch gar keine Buchung vorgenommen oder es wird "nachrichtlich" eine Verbindlichkeit ausgewiesen. Im Streitfall würde die vom Beklagten angedeutete Möglichkeit eines fehlenden Abflusses dazu führen, dass der Kläger ganzjährig überhaupt keine Sozialversicherungsbeträge an die Sozialversicherungsträger abgeführt hätte. Für einen solchen Geschehensablauf fehlten aber jegliche Anhaltspunkte.

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