25.09.2020

Personelle Verflechtung bei von Geschäftsführung ausgeschlossenem Nur-Besitz-Gesellschafter?

Die personelle Verflechtung als Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn die personenidentischen Gesellschafter-Geschäftsführer der Besitz-GbR und der Betriebs-GmbH die laufenden Geschäfte der Besitz-GbR bestimmen können und der Nutzungsüberlassungsvertrag der Besitz-GbR mit der Betriebs-GmbH nicht gegen den Willen dieser Personengruppe geändert oder beendet werden kann. Das Doppelvertretungsverbot des § 181 BGB steht der Annahme einer Beherrschungsidentität von Gesellschafter-Geschäftsführern aus Besitz-GbR und Betriebs-GmbH nicht entgegen, wenn die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen die Umgehung dieses Verbots durch Übertragung der Vertretung auf eine andere Person ermöglichen.

BFH v. 28.5.2020 - IV R 4/17
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GbR. Seit ihrer Gründung Juni 2005 sind als Gesellschafter mit einem Anteil von je 33 % R, L und F beteiligt. Den restlichen Anteil von 1 % hält W. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die Vermietung. Eine Befreiung von den Pflichten aus § 181 BGB ist für die Klägerin weder ausdrücklich noch konkludent erfolgt.

Die Gesellschafter R, L und F halten zudem zu jeweils 1/3 die Anteile an der K-GmbH und waren in den Streitjahren 2007 bis 2011 auch deren Geschäftsführer. Die K-GmbH wird durch zwei Geschäftsführer oder einen Geschäftsführer und einen Prokuristen gemeinsam vertreten.

Die Klägerin vermietete der K-GmbH mit zwei undatierten Mietverträgen über jeweils zehn Jahre auf einem ihr gehörenden Grundstück ab Juli 2007 eine Halle mit Sozialräumen und einem Außenlager sowie ab Oktober 2007 ein Bürogebäude mit zwölf Stellplätzen. Die Mietverträge wurden unterzeichnet für die Klägerin von L und R und für die K-GmbH von F und R.

Die Klägerin erklärte im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellung) Einkünfte aus der Vermietung des Grundstücks an die K-GmbH als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Gewerbesteuererklärungen gab sie für den Streitzeitraum nicht ab. Das Finanzamt ging für die gewerbe- und einkommensteuerrechtlichen Feststellungen des Streitzeitraums hingegen vom Vorliegen gewerblicher Einkünfte der Klägerin infolge einer Betriebsaufspaltung aus. Es war der Ansicht, dass eine gesonderte Feststellung nach § 10a GewStG nicht durchzuführen sei, da ein vortragsfähiger Gewerbeverlust nicht bestehe.

das FG hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben. Auf die Revision des Finanzamtes hat der BFH das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Gründe:
Das FG hat in der Sache das Vorliegen gewerblicher Einkünfte wegen einer Betriebsaufspaltung rechtsfehlerhaft verneint.

Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn einem Betriebsunternehmen wesentliche Grundlagen für seinen Betrieb von einem Besitzunternehmen überlassen werden und die hinter dem Betriebs- und dem Besitzunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben. Dieser ist anzunehmen, wenn die Person oder Personengruppe, die das Besitzunternehmen beherrscht, auch in dem Betriebsunternehmen ihren Willen durchsetzen kann Ist aufgrund besonderer sachlicher und personeller Gegebenheiten eine so enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen dem Besitzunternehmen und dem Betriebsunternehmen zu bejahen, dass das Besitzunternehmen durch die Vermietungs- und Verpachtungstätigkeit über das Betriebsunternehmen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt, so ist das Besitzunternehmen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG (originär) gewerblich tätig. Dann liegen bei der Besitzgesellschaft auch die Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs (§ 2 Abs. 1 Satz 2, § 6, § 7 GewStG) als Grundlage für die Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrags und die Feststellung eines vortragsfähigen Gewerbeverlustes (§ 10a GewStG) vor.

Eine personelle Verflechtung kann sich ergeben, wenn eine Person oder Personengruppe zwar nicht nach den Beteiligungsverhältnissen, aber nach ihren Befugnissen zur Geschäftsführung bei der Besitz- wie auch der Betriebsgesellschaft in Bezug auf die die sachliche Verflechtung begründenden Wirtschaftsgüter ihren Willen durchsetzen kann. Beherrschungsidentität liegt in diesem Zusammenhang vor, wenn einer Person oder Personengruppe die alleinige Geschäftsführungsbefugnis für die laufende Verwaltung einschließlich der Nutzungsüberlassung in dem Besitz- und Betriebsunternehmen übertragen ist. Die Beherrschungsidentität führt in derartigen Konstellationen dann zu einer personellen Verflechtung, wenn die hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlagen bestehenden Nutzungsüberlassungsverträge nicht gegen den Willen der Person oder Personengruppe aufgelöst werden können, die das Besitzunternehmen beherrscht, und diese Person oder Personengruppe zugleich alle Geschäfte der laufenden Verwaltung beherrscht.

Im Streitfall war das FG zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen einer personellen Verflechtung dem Grunde nach vorlagen. Denn die Mietverträge über das Bürogebäude mit Stellplätzen, eine Halle mit Sozialräumen sowie ein Außenlager konnten gegen den Willen einer Personengruppe nicht aufgehoben werden und diese Personengruppe beherrschte als Geschäftsführer der GbR und der GmbH auch die laufende Verwaltung der Nutzungsverhältnisse. Nach § 181 BGB kann ein Vertreter, soweit ihm nicht ein Anderes gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Verstößt ein Rechtsgeschäft gegen das Verbot des § 181 BGB, so bewirkt dies nicht die Nichtigkeit, sondern eine schwebende Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts i.S. von § 177 BGB. Es wird wirksam, wenn der Vertretene es genehmigt.

Im Streitfall konnte die beherrschende Personengruppe das Doppelvertretungsverbot auf Seiten der GmbH jedoch dadurch beseitigen, dass ein anderer Vertreter ermächtigt wird, entsprechende Rechtsgeschäfte mit der Steuerpflichtigen zu schließen. Dies konnte nach dem Gesellschaftsvertrag der GmbH z.B. durch Bestellung eines Prokuristen geschehen. Bei der für die GmbH bestehenden Gesamtvertretungsbefugnis aus zwei Geschäftsführern oder einem Geschäftsführer zusammen mit einem Prokuristen kann in entsprechender Anwendung der Regelungen in § 125 Abs. 2 Satz 2, § 150 Abs. 2 HGB, § 78 Abs. 4, § 269 Abs. 4 AktG auch dem bestellten Prokuristen eine Ermächtigung zum Abschluss von Verträgen erteilt werden. Die GmbH hatte damit jederzeit die Möglichkeit, durch Bestellung eines Prokuristen dafür zu sorgen, dass sie bei Geschäften mit der Steuerpflichtigen durch einen Prokuristen vertreten wird. Weiterhin hätte neben einem Prokuristen auch ein Mitglied der beherrschenden Personengruppe die GmbH vertreten können, so dass die beiden anderen Personen dieser Gruppe als Vertreter der Steuerpflichtigen hätten auftreten können. § 181 BGB hätte dem Abschluss eines solchen Geschäfts somit nicht entgegengestanden.
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