26.08.2014

Privates Veräußerungsgeschäft - Zustandekommen des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts

In Fällen, in denen sich aus den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ergibt, dass sich die Parteien ohne Berücksichtigung der Schriftform wirksam binden wollten, ist § 154 Abs. 2 BGB nicht anwendbar. Hat das FG sämtliche Tatsachen festgestellt und sprechen die Feststellungen nach den Denkgesetzen und den allgemeinen Erfahrungssätzen für eine bestimmte Schlussfolgerung, kann der BFH die Tatsachen ausnahmsweise selbst würdigen.

BFH 8.4.2014, IX R 18/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger war seit Ende Juli 1998 mit 4 % an der X-AG beteiligt. Im Januar 1999 beschloss diese eine Erhöhung des Grundkapitals um 1,5 Mio. DM durch Ausgabe neuer Namensaktien, die allein der Kläger übernahm. Die Anschaffungskosten entsprachen dabei dem Nennwert der neuen Aktien. In seiner Einkommensteuererklärung für 2000 gab der Kläger an, er habe seine 302.000 Aktien der X-AG mit Vertrag vom 10.3.2000 für 105.700 DM an die A-GmbH veräußert und daraus einen Verlust gem. § 17 EStG i.H.v. 1,4 Mio. DM erzielt.

Eine Konzernbetriebsprüfung bei der X-AG und ein gegen den Kläger durchgeführtes strafrechtliches Ermittlungsverfahren führten im Zusammenhang mit dem Aktienverkauf zu den Feststellungen, dass der Kläger ursprünglich einen auf den 28.12.1999 datierten schriftlichen Kaufvertrag über die Aktien entworfen hatte, wonach der Erwerb zum 30.12.1999 durchgeführt werden sollte. Der Entwurf war zwar nicht vom Kläger unterzeichnet worden, dennoch ging am 28.12.1999 eine Zahlung der A-GmbH über 100.000 DM an den Kläger ein. Außerdem unterzeichnete der Geschäftsführer der A-GmbH (M.) den Kaufvertrag für diese ohne Datumsangabe. Im Aktienbuch der X-AG trug er (als deren Vorstand) den Übergang der Aktien zum 30.12.1999 ein.

Aufgrund der Ermittlungsergebnisse nahm der Prüfer an, der Aktienkaufvertrag sei bereits am 28.12.1999 zustande gekommen. Der M. habe im September 2000 bemerkt, dass der Verlust dann nicht unter § 17 EStG fiele und nicht verrechenbar wäre. Danach hätten er und der Kläger versucht, die Akten so zu verändern, als sei der Vertrag erst nach Ablauf der Spekulationsfrist zustande gekommen. Das Finanzamt schloss sich dieser Einschätzung an und änderte den Einkommensteuerbescheid des Klägers für 2000. Anstatt des ursprünglich im Veranlagungszeitraum 2000 berücksichtigten Verlustes nach § 17 EStG setzte es für 1999 einen Verlust nach § 23 EStG an, der nur beschränkt verrechenbar war.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers vor dem BFH blieb erfolglos.

Die Gründe:
Das FG ging im Ergebnis zu Recht von der Erfüllung des Veräußerungstatbestandes im Jahr 1999 aus, da in diesem Jahr der schuldrechtliche Übertragungsvertrag rechtswirksam zustande gekommen war.

Für die Berechnung der Veräußerungsfristen in § 23 EStG kommt es auf den wirksamen Abschluss der schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfte an. Diese Rechtsprechung trägt dem Grundgedanken Rechnung, der der Besteuerung der privaten Veräußerungsgeschäfte zugrunde liegt, dass der Steuerpflichtige sich Werterhöhungen von Wirtschaftsgütern innerhalb einer bestimmten Frist wirtschaftlich zugeführt hat. Das ist aber bereits mit dem Abschluss des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts geschehen. Von diesen Grundsätzen war auch das FG ausgegangen.

Soweit der Kläger sinngemäß gerügt hatte, das FG habe § 154 Abs. 2 BGB übersehen und deshalb zu Unrecht angenommen, der Vertrag über die Veräußerung der Aktien sei schon 1999 zustande gekommen, verhalf dies der Revision nicht zum Erfolg. Zwar sieht die gesetzliche Auslegungsregel vor, dass ein schriftlicher Vertragsentwurf, den nur eine Seite unterschrieben hat, im Zweifel noch nicht zustande gekommen ist. Dies hatte das FG offensichtlich nicht beachtet. An seine gegenteilige Würdigung der Umstände des Einzelfalls war der BFH deshalb nicht gebunden.

Zwar ist der BFH grundsätzlich daran gehindert, die festgestellten Tatsachen selbst zu würdigen. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn das FG alle für die Tatsachenwürdigung erforderlichen Tatsachen festgestellt hat und diese Feststellungen nach den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen für eine bestimmte Schlussfolgerung sprechen, die das FG nicht gezogen hat. Das war hier der Fall. So sprachen die vom FG umfassend festgestellten Umstände dafür, dass die Vertragsparteien sich bereits im Dezember 1999 ohne Beachtung der Schriftform endgültig binden wollten.

So hat der M. unmittelbar nach seiner Unterschrift damit begonnen, den Vertrag zu vollziehen, indem er die Bezahlung des Kaufpreises und die Umschreibung der Aktien im Aktienbuch der X-AG veranlasst hatte. Daraus ergab sich, dass er - aus der insoweit maßgeblichen Empfängersicht - das Angebot des Klägers als bindend angesehen hatte. Ansonsten hätte er die Zahlung zurückhalten müssen. Außerdem hat der Kläger den Vertrag trotz seiner fehlenden Unterschrift ebenfalls als verbindlich angesehen. Dafür sprach, dass er die Zahlung der Erwerberin widerspruchslos entgegengenommen hatte. Wäre der Kläger davon ausgegangen, dass der Vertrag nicht wirksam zustande gekommen war, hätte es genügt, sich darauf zu berufen.

Linkhinweis:

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