21.03.2013

Progressionsvorbehalt und Tarifermäßigung nebeneinander anwendbar

Der Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG und die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG sind nebeneinander anwendbar (sog. integrierte Steuerberechnung). Dies hat zur Folge, dass sich ein negativer Progressionsvorbehalt im Rahmen der Ermittlung des Steuerbetrags nach § 34 Abs. 1 S. 3 EStG wegen des niedrigeren Steuersatzes notwendig steuermindernd auswirkt.

BFH 11.12.2012, IX R 23/11
Der Sachverhalt:
Streitig ist die Ermittlung der tariflichen Einkommensteuer bei Zusammentreffen eines negativen verbleibenden zu versteuernden Einkommens mit Einkünften, die dem negativen Progressionsvorbehalt unterliegen.

Der Kläger wurde für das Streitjahr 2008 antragsgemäß getrennt zur Einkommensteuer veranlagt. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung hatte er einen Betrag von 3.374 € als im Streitjahr an die Arbeitsverwaltung zurückgezahltes Arbeitslosengeld angegeben. Seine frühere Arbeitgeberin hatte in der Lohnsteuerbescheinigung als Dauer des Arbeitsverhältnisses den Zeitraum vom 1. bis zum 31.7. des Streitjahres sowie einen ermäßigt besteuerten Arbeitslohn von 260.000 € angegeben. Diese Lohnzahlung behandelte das Finanzamt als nach § 24 Nr. 1a, § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG i.d.F. des Streitjahres tarifbegünstigte Abfindungsleistung.

Mit geändertem Einkommensteuerbescheid vom Februar 2010 und später vom November 2010 ermittelte das Finanzamt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 256.751 €, ein zu versteuerndes Einkommen (zvE) von 248.879 € und ein nach § 34 Abs. 1 EStG "verbleibendes zu versteuerndes Einkommen" von -7.872 € und setzte entsprechend H 34.2 Beispiel 4 des Amtlichen Einkommensteuer-Handbuchs 2008 die tarifliche Einkommensteuer (Grundtarif) auf 62.480 € - unter Abzug der Steuerermäßigung nach § 35a EStG i.H.v. 300 € - die Einkommensteuer auf 62.180 € fest.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat die Berechnung der Einkommensteuer des Klägers für das Streitjahr durch das Finanzamt zu Recht nicht beanstandet.

Die tarifliche Einkommensteuer bemisst sich nach dem zu versteuernden Einkommen, vorbehaltlich u.a. der § 32b und § 34 EStG. Sind im zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist gem. § 34 Abs. 1 S. 1 EStG die auf alle außerordentlichen Einkünfte (nicht nur auf die Einnahmen) entfallende Einkommensteuer nach der sog. Fünftel-Regelung zu berechnen. Ist - wie hier - das verbleibende zu versteuernde Einkommen negativ und das zu versteuernde Einkommen positiv, so beträgt die Einkommensteuer gem. § 34 Abs. 1 S. 3 EStG das Fünffache der auf ein Fünftel des zu versteuernden Einkommens entfallenden Einkommensteuer.

Hat ein Steuerpflichtiger - wie der Kläger - Arbeitslosengeld bezogen, so ist auf das nach § 32a Abs. 1 zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden (§ 32b Abs. 1 S. 1 EStG); das ist gem. § 32b Abs. 2 S. 1 EStG der Steuersatz, der sich ergibt, wenn bei der Berechnung der Einkommensteuer das nach § 32a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen vermehrt oder vermindert wird, und zwar um den Saldo - hier - der Arbeitslosengeld-Leistungen i.H.v. -3.374 €.

Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG und Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG sind nebeneinander anwendbar. Bei Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG muss sich wegen seines Zwecks der Abmilderung der Progressionswirkung eine geringere Einkommensteuer ergeben als bei einer Besteuerung der außerordentlichen Einkünfte nach § 32a Abs. 1 EStG; das gilt erst recht, wenn die Tarifermäßigung mit einem negativen Progressionsvorbehalt, weil sich ein negativer Progressionsvorbehalt im Rahmen der Ermittlung des Steuerbetrags für die außerordentlichen Einkünfte nach § 34 Abs. 1 S. 3 EStG notwendig steuersatzmindernd auswirkt. Diesen Grundsätzen entspricht die Vorentscheidung

Das Finanzamt hat die tarifliche Einkommensteuer für das Streitjahr gem. § 32a Abs. 1, § 32b Abs. 2, § 34 Abs. 1 S. 3 EStG zutreffend angesetzt. Dabei ist es von Einkünften i.S.d. § 34 Abs. 2 EStG i.H.v. 256.751 €, einem zvE i.H.v. 248.879 € und einem verbleibenden negativen zvE i.H.v. -7.872 € ausgegangen. Auf dieser Basis hat es vom 1/5-zvE i.H.v. (248.879 € : 5 =) 49.775 € unter Abzug des Arbeitslosengeld-Saldos i.H.v. 3.374 € das maßgebende verbleibende 1/5-zvE i.H.v. 46.401 € errechnet. Darauf ergibt sich eine Einkommensteuer nach Grundtarif i.H.v. 11.649 € bei einem (durchschnittlichen =) besonderen Steuersatz von 25,1051 Prozent. Dieser angewandt auf das 1/5-zvE (49.775 €) führt zu einer Einkommensteuer i.H.v. 12.496 €, multipliziert mit fünf ergibt eine tarifliche Einkommensteuer i.H.v. 62.480 €. Dieser Steuerbetrag trägt auch dem Günstigkeitsprinzip Rechnung.

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