23.01.2018

Rechnungen müssen auch im Niedrigpreissegment immer eindeutige Identifizierung der Leistung ermöglichen

Auch beim massenhaften Handel von Kleidungsstücken und von Modeschmuck im Niedrigpreissegment kann ein Vorsteuerabzug nur vorgenommen werden, wenn die Rechnung eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung ermöglicht, über die abgerechnet wird.

Hessisches FG 12.10.2017, 1 K 547/14 u.a.
Der Sachverhalt:
Im Klageverfahren Az.: 1 K 547/14 war die Klägerin im Streitjahr 2010 im Textilhandel unternehmerisch tätig. Sie vertrieb Damenoberbekleidung (insbesondere T-Shirts und Blusen) im Niedrigpreissegment. Die Kleidungsstücke wurden jeweils in großen Mengen in verschiedenen Standardgrößen und in mehreren Farben von Großhändlern eingekauft. Die Einkaufspreise je Artikel bewegten sich jeweils im unteren einstelligen Eurobereich.

Das Finanzamt versagte bei einigen Rechnungen zu Lasten der Klägerin den Vorsteuerabzug, weil sich die Bezeichnungen der gelieferten Gegenstände in den Rechnungen auf die pauschale Bezeichnung einer Warenklasse und die Angabe einer erheblichen Stückzahl im mind. dreistelligen Bereich beschränke. Eine Konkretisierung der Leistungsbeschreibungen fehle.

Auch im Klageverfahren Az.: 1 K 2402/14, in dem die Klägerin im Bereich des Handels mit Modeschmuck und Accessoires im Niedrigpreissegment tätig war, lehnte das Finanzamt den Vorsteuerabzug ab, weil Rechnungen auch hier nur unzureichende Angaben wie "div. Modeschmuck" (Armband, Ohrring, Kette etc.), den Netto-Einzelpreis sowie die Anzahl der gelieferten Artikel enthielten.

Das FG wies in beiden Fällen die Klage ab. Allerdings ließ es die Revision zu. Gegen das Urteil im Verfahren Az.: 1 K 2402/14 wurde Revision eingelegt, die beim BFH unter dem Az.: XI R 2/18 anhängig ist.

Die Gründe:
Die streitigen Rechnungen genügten mangels hinreichender Leistungsbeschreibung und fehlender Identifikationsmöglichkeit nicht den gesetzlichen Anforderungen zum Vorsteuerabzug aus Rechnungen.

Der klägerische Einwand, dass die jeweiligen Leistungsbeschreibungen in den Rechnungen angesichts der BFH-Rechtsprechung und mit Blick auf die Besonderheiten im Massengeschäft mit Billigartikeln die Anforderungen an eine handelsübliche Bezeichnung der Art der gelieferten Gegenstände erfüllten und dass die Handelsüblichkeit letztendlich von der Umsatzstruktur bzw. vom Marktumfeld abhänge, verfing im Klageverfahren nicht. Ebenso der Hinweis, dass die Übertragung der Anforderungen bei Leistungsbeschreibungen für sonstige Leistungen auf die - hier vorliegenden - Abrechnungen von Lieferungen bei verschiedenen Warengruppen zur Unmöglichkeit des Vorsteuerabzugs führe und gegen die EuGH-Rechtsprechung verstoße.

Innerhalb einer Branche ist hinsichtlich der Frage, welche Bezeichnung einer Leistung noch handelsüblich ist, nicht nach verschiedenen Verkehrskreisen - nämlich dem Handel mit Textilien im mittleren und oberen Preissegment einerseits und dem Handel mit Waren im Niedrigpreissegment andererseits - zu differenzieren. Die in den Rechnungen des Verfahrens Az.: 1 K 547/14 enthaltene bloße Angabe einer Gattung (z.B. Shirts, T-Shirts, Blusen, Kleider, Blusen, Jacken) stellt keine handelsübliche Bezeichnung dar. Die - hier fehlende - erforderliche weitergehende Umschreibung der Ware kann etwa über die Herstellerangaben bzw. die Angabe einer etwaigen Eigenmarke oder über Modelltyp, Farbe und Größe sowie unter Bezugnahme auf eine Artikel- oder Chargennummer erfolgen. Auch die Benennung von Größe, Farbe, Material, gegebenenfalls Sommer-oder Winterware kommt in Betracht.

Das Fehlen jeglicher weiterer Umschreibung der Artikel lässt vorliegend keine eindeutige und mit begrenztem Aufwand nachprüfbare Feststellung der Lieferungen, über die mit den Rechnungen abgerechnet wurde, zu. Dabei besteht angesichts der hohen Anzahl der in den Rechnungen aufgeführten Artikel auch die Gefahr einer willentlichen oder unwillkürlichen mehrfachen Abrechnung der Leistung in einer anderen Rechnung. All dies gilt auch für den Handel mit Modeschmuck, Uhren und Accessoires. Auch insoweit stellt die bloße Angabe einer Gattung (z.B. Armbänder, Ketten, Halsketten) keine handelsübliche Bezeichnung dar.

Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Denn der BFH hat, soweit ersichtlich, zu den Anforderungen an eine Leistungsbeschreibung in den Fällen der Geltendmachung des Vorsteuerabzugs aus Rechnungen über die Lieferung von Waren, hier Modeschmuck, Uhren, Accessoires, im Niedrigpreissegment bislang noch nicht entschieden.

Linkhinweis:

  • Der Volltext ist auf der Homepage der Finanzgerichtsbarkeit Hessen veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext von Az.: 1 K 547/14 zu kommen, klicken Sie bitte hier (pdf).
  • Um direkt zum Volltext von Az.: 1 K 2402/14 zu kommen, klicken Sie bitte hier (pdf).
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