07.09.2012

Rückstellungen wegen zukünftiger Betriebsprüfung bei Großbetrieben

In Steuerbilanzen von als Großbetriebe i.S.v. § 3 BpO 2000 eingestuften Kapitalgesellschaften sind Rückstellungen für die im Zusammenhang mit einer Außenprüfung bestehenden Mitwirkungspflichten gem. § 200 AO, soweit diese die am jeweiligen Bilanzstichtag bereits abgelaufenen Wirtschaftsjahre (Prüfungsjahre) betreffen, grundsätzlich auch vor Erlass einer Prüfungsanordnung zu bilden. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass auch bei Großbetrieben die Betriebsprüfungsanordnung auf einer Ermessensentscheidung des Finanzamtes beruht.

BFH 6.6.2012, I R 99/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GmbH, die durch formwechselnde Umwandlung zum 1.12.2005 aus einer KG hervorgegangen war. Ihr vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr endete am 30.11.2006. Sie war gem. § 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Betriebsprüfungsanordnung (BpO 2000) als Großbetrieb eingestuft, der zum Konzern ihrer beiden Gesellschafter gehörte.

In ihrem Jahresabschluss für das Wirtschaftsjahr 2005/2006 vom 31.1.2007 hatte die Klägerin eine Rückstellung für die Kosten einer zu erwartenden Betriebsprüfung betreffend die Jahre 2004 bis 2006 i.H.v. 25.100 € gebildet. Die Rückstellung wurde bei den zunächst für das Streitjahr 2006 ergangenen Bescheiden zur Festsetzung der Körperschaftsteuer sowie des Gewerbesteuermessbetrags berücksichtigt. Alle Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Nach einer Konzernbetriebsprüfung im Jahre 2008 hinsichtlich der Jahre 2004 bis 2006 vertrat das Finanzamt die Auffassung, die von der Klägerin gebildete Rückstellung für künftige Betriebsprüfungskosten sei nicht anzuerkennen, weil am Bilanzstichtag lediglich die die Jahre 2001 bis 2003 betreffende Betriebsprüfung abgeschlossen gewesen sei und es im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung (31.1.2007) an einer Prüfungsanordnung für die Jahre 2004 bis 2006 gefehlt habe. Letztere Prüfung sei erst im Mai 2008 verfügt worden. Die Behörde erließ deshalb geänderte Bescheide zur Festsetzung der Körperschaftsteuer sowie des Gewerbesteuermessbetrags.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Das FG hatte zu Recht entschieden, dass bei Großbetrieben i.S.v. § 3 BpO 2000 Rückstellungen für die im Zusammenhang mit einer Außenprüfung bestehenden Mitwirkungspflichten gem. § 200 AO - soweit diese die am jeweiligen Bilanzstichtag bereits abgelaufenen Wirtschaftsjahre (Prüfungsjahre) betreffen - grundsätzlich auch vor Erlass einer Prüfungsanordnung zu bilden sind.

Im Schrifttum wird zwar teilweise vertreten, dass Kosten einer zukünftigen Außenprüfung erst ab dem Erlass der Prüfungsanordnung passiviert werden dürfen. Nach anderer Auffassung, der sich auch der Senat anschließt, sind hingegen (jedenfalls) bei Großbetrieben, die nach § 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 BpO 2000 der sog. Anschlussprüfung unterliegen, Rückstellungen für die zukünftigen Betriebsprüfungskosten zu bilden, die am jeweiligen Bilanzstichtag auf die bis dahin abgelaufenen Wirtschaftsjahre entfallen.

Zwar war die Klägerin am Bilanzstichtag des Streitjahres noch nicht gem. § 200 AO zur Mitwirkung an der Außenprüfung betreffend die Wirtschaftsjahre 2004 bis 2006 verpflichtet, da die Betriebsprüfung für diese Zeiträume erst im Jahre 2008 angeordnet wurde. Allerdings hatte das FG zutreffend angenommen, dass im Streitfall die Voraussetzungen für die Rückstellung einer dem Grunde und der Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit vorlagen. Der Erlass einer Prüfungsanordnung betreffend die Wirtschaftsjahre 2004 bis 2006 gegenüber der Klägerin und damit auch deren Verpflichtung zur Mitwirkung nach § 200 AO, war nicht nur wahrscheinlich, sondern auch wirtschaftlich verursacht. Etwas anderes ergab sich nicht daraus, dass auch bei Großbetrieben die Betriebsprüfungsanordnung auf einer Ermessensentscheidung des Finanzamtes beruht.

Die sich aus § 200 AO ergebenden öffentlich-rechtlichen Mitwirkungspflichten waren am Bilanzstichtag sowohl inhaltlich als auch in zeitlicher Hinsicht konkretisiert. Denn es genügend, wenn die in der Zukunft mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entstehende Verpflichtung innerhalb eines bestimmbaren und dem Belieben des Steuerpflichtigen entzogenen Zeitraums zu erfüllen ist. Auch waren die auf die Vorschrift gestützten Mitwirkungsverlangen sanktionsbewehrt, da sie nach BFH-Rechtsprechung regelmäßig als Verwaltungsakte zu qualifizieren sind.

Die Gewinnwirksamkeit der für die Erfüllung der Mitwirkungspflichten gebildeten Rückstellungen war letztlich auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die hierfür anfallenden Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden könnten. Soweit das BMF hierzu in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hatte, dass der Aufwand - soweit er die Prüfung der Körperschaftsteuer betreffe - nach § 10 Nr. 2 KStG 2002 das Einkommen der Klägerin nicht mindern dürfe, konnte dem nicht gefolgt werden. Die Vorschrift erfasst neben der Körperschaftsteuer die hierauf entfallenden steuerlichen Nebenleistungen, nicht hingegen die Aufwendungen, die einer Kapitalgesellschaft im Rahmen der Erfüllung ihrer Mitwirkungspflichten gem. § 200 AO entstehen. Sie ist entsprechend "eng" auszulegen.

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