17.02.2022

Rückwirkendes Ereignis beim Realsplitting

Die Stellung des Antrags auf Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2007 durch den Geber samt Einreichung der Zustimmungserklärung des Empfängers ist bereits das rückwirkende Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AO, das zur Änderung der Einkommensteuerfestsetzung des Empfängers der Unterhaltsleistung nach § 22 Nr. 1a EStG 2007 führt. Auf die tatsächliche Anerkennung der Leistungen als Sonderausgaben beim Geber kommt es nicht an.

Kurzbesprechung
BFH v. 28.7.2021 - X R 15/19

AO § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 174 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 1a

Die Stpfl. schloss im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung mit ihrem vormaligen Ehegatten eine Vereinbarung über eine Abgeltungsleistung. Der Ehegatte machte diese als Sonderausgaben erst zu einem Zeitpunkt geltend, als die Stpfl. bereits bestandskräftig zur Einkommensteuer veranlagt war. Das FA änderte entsprechend die Steuerfestsetzung der Stpfl. (steuererhöhend). Streitig war zwischen den Beteiligten, ob die Änderung erst in festsetzungsverjährter Zeit stattfand, mithin, ob die Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Abgeltungsvereinbarung erfolgte oder erst auf den Zeitpunkt der Anerkennung als Sonderausgaben beim Geber.

Der BFH folgte der erstgenannten Ansicht. Schon der Antrag des Gebers und die Zustimmung des Empfängers seien rechtsgestaltend. Sie überführten die Unterhaltsleistungen in den steuerrechtlich relevanten Bereich und änderten so ihren Rechtscharakter. Zwar könnte dem Wortlaut von § 22 Nr. 1a EStG ("abgezogen werden können") zu entnehmen sein, die Steuerpflicht beim Empfänger sei an die tatsächliche Abzugsmöglichkeit beim Geber - und nicht an dessen Antrag - zu knüpfen. Die Unterhaltsleistungen würden aber gerade durch den Antrag zu Sonderausgaben. Damit habe der Antrag eine Doppelfunktion: Er sei nicht nur Verfahrensvoraussetzung für die steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen, sondern gleichzeitig materiell-rechtliche Voraussetzung für die Abzugsmöglichkeit dem Grunde nach. Die Steuerpflicht dieser Leistungen bei dem Empfänger hänge somit nicht davon ab, ob und inwieweit der Sonderausgabenabzug beim Geber tatsächlich zu einer Steuerminderung geführt hätten. Es bestehe nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck des Gesetzes kein Anlass, § 22 Nr. 1a EStG einschränkend auszulegen.

Verlag Dr. Otto Schmidt
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