29.06.2015

Steuerberater müssen nicht auf mögliche Regressansprüche gegen früheren Berater hinweisen

Ein Steuerberater, der mit der Vertretung im Verfahren über einen Einspruch gegen einen Steuerbescheid beauftragt ist, ist nicht verpflichtet, seinen Mandanten auf einen möglichen Regressanspruch gegen einen früheren Steuerberater und auf die drohende Verjährung eines solchen Anspruchs hinzuweisen. Die für die Beurteilung eines solchen Regressanspruchs und insbesondere seiner Verjährung erforderlichen besonderen Rechtskenntnisse kann ein Mandant von einem Steuerberater regelmäßig nicht erwarten.

BGH 7.5.2015, IX ZR 186/14
Der Sachverhalt:
Der klagende Arzt war Teilhaber einer auf seinem Grundstück betriebenen ärztlichen Gemeinschaftspraxis. Die Betriebsmittel der Gemeinschaftspraxis standen im Alleineigentum des Klägers. Im Dezember 1996 veräußerte er 10 Prozent und im Dezember 1997 weitere 40 Prozent der Betriebsmittel an den neben ihm in der Gemeinschaftspraxis tätigen Arzt. Das Grundstück blieb als Sonderbetriebsvermögen im Alleineigentum des Klägers. Sein damaliger Steuerberater erreichte zunächst, dass der in den Jahren 1997 und 1998 vereinnahmte Erlös vom Finanzamt als steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn nach § 34 EStG behandelt wurde.

Nach einer Betriebsprüfung änderte das Finanzamt seinen Standpunkt, weil mit den Praxisanteilen kein Anteil am Grundstück als der wesentlichen Betriebsgrundlage übertragen worden sei. Mit Änderungsbescheiden vom 1.3.2002 für die Jahre 1997 und 1998 wurde der Veräußerungserlös als nicht steuerbegünstigter laufender Gewinn festgestellt. Im Auftrag des Klägers legte die Beklagte, die bereits im Jahr 1999 die Erstellung der Buchhaltung, der Jahresabschlüsse und Steuererklärungen sowie die damit verbundene steuerliche und wirtschaftliche Beratung des Klägers übernommen hatte, gegen die Bescheide Einspruch ein. Im November 2008 teilte das Finanzamt mit, dass es seine bisherige Rechtsauffassung aufrechterhalte.

Daraufhin nahm der Kläger seine Einsprüche zurück und erbrachte die vom Finanzamt geforderte Steuernachzahlung i.H.v. rd. 223.000 €. Der frühere Steuerberater, vom Kläger auf Erstattung dieses Betrags in Anspruch genommen, berief sich auf Verjährung. Der Kläger verlangt nunmehr von der Beklagten Schadensersatz i.H.v. rd. 223.000 € mit der Begründung, die Beklagte habe ihn pflichtwidrig nicht in unverjährter Zeit auf Regressansprüche gegen den früheren Steuerberater hingewiesen.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat zu Recht eine Pflicht der Beklagten, den Kläger vor Ablauf der Verjährungsfrist auf einen möglichen Regressanspruch gegen seinen früheren Steuerberater und auf die insoweit maßgebliche Verjährungsfrist hinzuweisen, verneint.

Eine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger auf einen Regressanspruch gegen seinen Vorberater hinzuweisen, ergibt sich nicht aus den allgemeinen vertraglichen Pflichten eines Steuerberaters. Dieser ist verpflichtet, sich mit den steuerrechtlichen Punkten zu befassen, die zur pflichtgemäßen Erledigung des ihm erteilten Auftrags zu beachten sind. In den durch seinen Auftrag gezogenen Grenzen hat er den Auftraggeber auch ungefragt über die bei der Bearbeitung auftauchenden steuerrechtlichen Fragen zu belehren. Zu den vertraglichen Nebenpflichten des Steuerberaters gehört es, den Mandanten vor Schaden zu bewahren und auf Fehlentscheidungen, die für ihn offen zutage liegen, hinzuweisen. Zu den danach bestehenden vertraglichen Pflichten eines Steuerberaters gehört es - anders als bei einem Rechtsanwalt - grundsätzlich nicht, den Mandanten auf mögliche Schadensersatzansprüche gegen seinen Vorgänger hinzuweisen.

Die Vertragspflichten eines Steuerberaters beschränken sich in der Regel auf das Steuerrecht (§§ 1-3, 33 StBerG); eine geschäftsmäßige Besorgung anderer Rechtsangelegenheiten einschließlich der Rechtsberatung ist ihm nach dem hier noch anwendbaren Art. 1 §§ 1, 4 Abs. 3 RBerG grundsätzlich untersagt. Auf die steuerrechtliche Seite früherer Entscheidungen bezieht sich auch die in der Rechtsprechung anerkannte Nebenpflicht des Steuerberaters, seinen Mandanten auf offen zu Tage liegende Fehlentscheidungen hinzuweisen. Eine Pflicht des Steuerberaters, den Mandanten auf zivilrechtliche Regressmöglichkeiten hinzuweisen, kann daraus nicht abgeleitet werden. Der Umstand, dass die Beklagte im Streitfall beauftragt war, den Kläger im Einspruchsverfahren gegen die geänderten Feststellungsbescheide vom 1.3.2002 zu vertreten, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Der Senat hat bereits 1993 entschieden, dass ein Rechtsanwalt, dessen Mandat nicht auf eine umfassende Beratung gerichtet, sondern auf die Vertretung in einem Finanzrechtsstreit beschränkt ist, gleichwohl verpflichtet ist, seinen Auftraggeber bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen auf die drohende Verjährung von Ansprüchen gegen den Steuerberater hinzuweisen. Für die Pflichten eines Steuerberaters, dessen Mandat auf die Vertretung in einem Steuerverwaltungs- oder finanzgerichtlichen Verfahren gerichtet ist, kann daraus nichts abgeleitet werden. Ein Steuerberater ist auch bei einem umfassenden Mandat grundsätzlich nicht zu Hinweisen auf zivilrechtliche Regressmöglichkeiten verpflichtet.

Auch die Besonderheiten eines Mandats zur Vertretung in einem Verwaltungs- oder gerichtlichen Verfahren rechtfertigen in dieser Hinsicht keine Gleichstellung der Pflichten eines Steuerberaters mit denjenigen eines Rechtsanwalts. Steuerberater sind berechtigt, geschäftsmäßig ihre Mandanten in Steuerverwaltungsverfahren und Finanzgerichtsstreitigkeiten zu vertreten. Ein mit der Vertretung beauftragter Steuerberater hat die steuerlichen Interessen seines Mandanten im Rahmen des Mandats ebenfalls umfassend wahrzunehmen. Darüber hinaus gehende rechtliche Interessen seines Mandanten wie mögliche zivilrechtliche Regressansprüche, die bei einem ungünstigen Ausgang des Einspruchs- oder Klageverfahrens gegen Dritte bestehen können, liegen jedoch außerhalb seines Auftrags. Die für die Beurteilung eines solchen Regressanspruchs und insbesondere seiner Verjährung erforderlichen besonderen Rechtskenntnisse kann ein Mandant von einem Steuerberater regelmäßig nicht erwarten.

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